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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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weiterbewegten, bis plötzlich die englische Küste in Sicht kam und mit unglaublicher Schnelligkeit vor ihnen, unter und hinter ihnen lag.

    Noch bevor sie Pierre gesehen hatte, war Mrs. Shannon fest entschlossen, ihn sehr gern zu haben. Dies mußte, als ihre erste Begegnung dann wirklich stattfand, zwangsläufig zu einer kleinen Enttäuschung führen. Er war sehr höflich — zu höflich — , benahm sich, als trüge er Gamaschen und weiße Glacéhandschuhe, und sie hatten sich nicht viel zu sagen. Onkel Geoffrey, der sich wieder glücklicher zu fühlen schien, seit er sich an den Gedanken seiner bevorstehenden Eheschließung gewöhnt hatte — er war bereits so französisiert, daß er Lucienne chérie nannte, was er «scherri» aussprach — , war Pierre sofort zugetan, schlug ihm auf die Schulter und nannte ihn «mong garssong». Pierre beantwortete dies mit großer Herzlichkeit, gab sich entsetzlich englisch und nannte ihn «old fellow».
    Mary wünschte, sie könnten ihn so sehen, wie er mit ihr war: unbekümmert, charmant und natürlich, ganz gleich, ob er den erfahrenen Weltmann oder den liebenswerten kleinen Jungen spielte. Er hatte am ersten Abend eine geschäftliche Verabredung zum Essen, so brach er bald auf, um in sein Hotel zurückzukehren. Mary gab ihm an der Haustür einen Abschiedskuß. Im Grunde ihres Herzens war sie ein klein wenig enttäuscht. Er hatte ihrer Familie gefallen, aber sie wünschte, sie hätten ihn hinreißend gefunden. Sie hatte sich so darauf gefreut, mit ihm Eindruck zu machen. Der Gedanke, er könnte gehemmt sein, war zwar unvorstellbar, aber vielleicht war er es doch. Das konnte sie ihm nachfühlen. Lieber Pierre. Als sie an diesem Abend zu Bett ging, sehnte sie sich danach, wieder mit ihm in der zu sein und auf der verdunkelten Tanzfläche einen langsamen Walzer zu tanzen, während er sie aufs Haar küßte und die Geige wie ein verträumter Vogel sang.

    Mary freute sich darauf, Pierre London zu zeigen, so wie er ihr Paris gezeigt hatte. Sie wußte, daß er schon oft in London gewesen war, aber er konnte es doch nicht so genau kennen wie jemand, der sein ganzes Leben hier verbracht hatte. Bald wurde es jedoch klar, daß er es besser kannte als sie. Zum mindesten die Stadtgegenden, die er besuchen wollte.
    Genau wie in Paris ging er in die elegantesten Restaurants, als gehörten sie seinem Vater und ihm. In Paris war das ganz in Ordnung und sogar höchst angenehm gewesen, aber hier in London war das nicht so selbstverständlich. London gehörte den Engländern, und selbst ein Mann wie Pierre konnte Paris und London nicht gleichzeitig besitzen. Für Marys Familie hatte er nicht viel Zeit, er hatte eine Reihe von Geschäften abzuwickeln und außerdem viele Freunde, die Mary alle kennenlernen mußte. Einige von ihnen hatten Namen und Gesichter, die man von den Illustrierten her kannte, und Mary kam sich neben ihnen linkisch und minderwertig vor, wobei sie überzeugt war, daß die anderen ihre Meinung voll und ganz teilten.
    Die Hochzeit war für Ende September angesetzt, und obwohl Pierre murrte und darauf bestand, daß sie in Paris sein solle, hoffte Mary noch, ihn überreden zu können, daß sie in London stattfand. Sie erkannte allmählich, daß die Chancen, ihn für eine Übersiedlung nach England zu gewinnen, sehr gering waren, aber auch in diesem Punkt hatte sie die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Falls sie in London heirateten, hatte Pierre als Trauzeugen seinen guten Freund Max Nordberg bestimmt, den Mary nicht ausstehen konnte. Das einzig Gute an Max war, daß seine Familie eine Filmgesellschaft besaß und daß man ihn vielleicht dazu überreden konnte, Onkel Geoffrey auf die Beine zu helfen. Er war ein aalglatter junger Mann, dick und wohlhabend und — was Pierre nicht zu bemerken schien — ausgesprochen gewöhnlich. Sein öliges schwarzes Haar war ziemlich lang, und er trug es ohne Scheitel nach hinten gekämmt, seine Hände waren weiß und schwammig. Man konnte sich nicht vorstellen, daß sie jemals ein Tier streichelten, sie eigneten sich nur dazu, ein Glas oder eine Zigarettenspitze zu halten, oder jungen Anwärterinnen beim Film auf die Schenkel zu klopfen, was soviel hieß wie: «Ich könnte allerhand für dich tun, Kindchen.» Er hatte einen unerschöpflichen Vorrat an Geschichten, die manchmal ganz komisch, aber nie salonfähig waren. Pierre fand ihn fabelhaft, und Mary gab sich Pierre zuliebe die allergrößte Mühe, ihn nett zu finden.
    Max

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