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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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Leuten sehr zu gefallen schien, konnte sie sich nicht vorstellen. Aber es gab vieles in ihr, was sie dann unterdrücken mußte. Plötzlich fühlte sie sich alt, so, als läge ihre Jugend hinter ihr, was ganz unsinnig war, da sie doch jemanden heiratete, der besonders jung und lebensfroh war. «Du nimmst das Leben zu schwer, mein Kind», sagte sie zu sich selbst, «ich dachte, das hättest du dir auf der Schauspielschule abgewöhnt.»
    Pierre sang immer noch, und bald stimmte sie mit ein, während die Gegend, die immer mehr ihren städtischen Charakter verlor, an ihnen vorbeiflog.
    Mit Hilfe der Karte — oder besser gesagt, trotz der Karte — , die Tante Mavis nicht ohne Fehler aufgezeichnet und auf der sie alle Ecken genau beschrieben hatte, an denen sie nicht abbiegen sollten — fanden sie schließlich die in Thurley. Wie sich herausstellte, war es weder eine alte noch überhaupt eine Farm, sondern ein recht hübsches Landhaus, in dem es anheimelnd nach abgenutztem Kretonne roch. Das plumpe Walliser Dienstmädchen, das Mary und Pierre die Tür öffnete, teilte ihnen in ihrem singenden Tonfall mit: «Die Gesellschaft nimmt den Cocktail im Garten ein.» Dann führte sie sie hinaus auf einen großen Rasenplatz, auf dem im Schatten einer Zeder eine ganze Reihe vertrauter Gestalten versammelt war.
    Onkel Guy kam ihnen gutgelaunt entgegen und hieß sie willkommen. Offensichtlich war dies einer der Tage, an denen er groß in Form war. Er trug ein Tennishemd, weiße Hosen, seinen alten Schulschlips und Sandalen an den bloßen Füßen. Er gab Mary einen Kuß, schüttelte Pierre die Hand aus dem Gelenk und klopfte ihm auf die Schulterpartie seines eleganten Maßanzuges. Er hatte ihn schon in der Bar von getroffen, als Mary und Pierre dort einmal zu Mittag aßen. Mary erinnerte sich sehr gut an dieses Mittagessen. Pierre hatte sich absolut nicht von dem teuren, vornehmen Restaurant beeindrucken lassen wollen und an der Sauce Béarnaise herumgemäkelt, obwohl Mary ihn immer wieder darauf hinwies, daß die Küchenchefs Franzosen seien.
    Er wurde nun allen in der Runde vorgestellt und trug sein bei solchen Anlässen typisches Benehmen zur Schau, eine Mischung von gallischer Liebenswürdigkeit und übertriebenem Angelsachsentum. Tante Mavis, die ihnen in geblümtem Georgette entgegeneilte, verblüffte ihn etwas, als sie ausrief: «Ah, da ist er ja, der schüchterne Bräutigam.» Onkel Lionel war offenbar der Ansicht, daß Pierre kein Wort Englisch verstand, denn er begrüßte ihn mit «Bonjour, il me fait grand plaisir de vous rencontrer», was so klang, als lese er den Satz aus vor.
    Sarah war mit ihrem Mann da, dem vielgeschmähten Mr. Roebuck, der — wie sich herausstellte — James Robart hieß. Er war dünn wie ein Zwirnsfaden, aber in seiner stillen weltfremden Art überraschend nett. Sarah schien sehr glücklich zu sein. Sie war hübsch frisiert, und ihre Beine waren wie durch ein Wunder schlanker geworden. Sie und Mr. Roebuck hielten sich meistens an der Hand und standen flüsternd in den Ecken herum, wie Kinder, die nicht recht wissen, ob ihre Gegenwart erwünscht ist.
    Marys Mutter gab Pierre wie immer einen Kuß, aber enttäuschenderweise bestand auch jetzt noch eine gewisse Distanz zwischen ihnen. Sie hatte Mary mitgeteilt, daß er «ein sehr lieber Kerl und ein fabelhaft aussehender Schwiegersohn sei», aber sie schien immer abwartend zu beobachten, was er tun würde, so, als wäre er eine Marionette. Großpapa war eigentlich der einzige, der ganz natürlich mit ihm umging und ihn nicht wie ein Ausstellungsstück behandelte. Anscheinend fanden die beiden Gefallen aneinander, denn sie gingen ein paar Schritte beiseite und fingen an, sich ernsthaft über das Thema Essen zu unterhalten.
    «Wo ist Denys?» fragte Mary. Es fiel ihr jetzt nicht mehr schwer, seinen Namen ganz beiläufig auszusprechen, aber — wie sie einen Augenblick später feststellte — es war doch nicht ganz so leicht, jene frühere kleine Unsicherheit abzuschütteln, sobald sie seiner ansichtig wurde.
    «Er und der junge Martin sind in die Wirtschaft gegangen, um Bier zu holen», sagte Onkel Guy, und in diesem Augenblick kamen Denys und sein Freund, den er aus Oxford mitgebracht hatte, durch das Tor am anderen Ende des Gartens. Beide trugen Khakishorts, alte Tennisschuhe und ausgeblichene bunte Hemden. Martin hatte einen unordentlichen gelben Haarschopf, der in der Sonne leuchtete, als sie

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