Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
Vom Netzwerk:
tätschelte ihre zuckenden Schultern. «Ich hol dir deine Hustenpastillen, ja, mein Liebes?»
    «Nein, laß eins von den Kindern gehen. Margaret — los! Aber beeil dich gefälligst», sagte Onkel Lionel in dem Befehlston, den er stets gebrauchte, wenn er seinen Kindern Aufträge erteilte.
    «Ja sofort, Daddy», sagte Margaret und stürzte mit ihren Spinnenbeinen quer über den Rasen davon.
    «Was ist los, Denys?» fragte Tante Mavis, «du bleibst sitzen und läßt ein Mädchen rennen. Was sind das für Manieren?»
    «Sie rennt gern», meinte Denys, «und außerdem hab ich Bates versprochen, daß wir noch eine Stunde trainieren, ehe es dunkel wird. Bitte allerseits um Entschuldigung.» Er erhob sich, schlenderte davon, und im Weggehen tat er so, als wolle er eine Rose mit seinem hölzernen Schwert köpfen.
    «Nicht, Denys», rief Großmama ängstlich aus.
    «Ha, ha!» Er flog herum. «Hätte ich ja gar nicht getan. Ich werde dir den Leib aufschlitzen, verräterischer Schurke!» Er machte einen Ausfall mit seinem Schwert, seine dunklen Augen funkelten, und bezwungen von seinem Charme stimmte sie in sein Lachen mit ein. «Hinweg mit dir», sagte sie und fing wieder an zu husten. Denys zog ab, und die Art, wie er davonschritt, zeigte deutlich, daß er alle Augen auf sich gerichtet glaubte.
    In diesem Sommer war er besonders hinreißend, fand Mary. Die langen Ferien, die er meist im Freien verbrachte, hatten seine Haut noch mehr gebräunt, und wenn sie in dem alten Lancia zum Baden nach Lyme Regis fuhren, schwamm er ganz weit hinaus, während sie wie ein kleiner Hund nur im flachen Wasser herumpatschte, immer mit einem Fuß auf dem Grund. Beim Sportfest in Taunton gewann er auf den Jugend-Wettbewerb im Springen, und der Muskelkater tat seiner Begeisterung keinen Abbruch. Onkel Tom, der gerade auf Urlaub war, stellte ihn dem weithin bekannten Jagdleiter vor, der sagte, Denys sei ein vielversprechender junger Mann, den er in der nächsten Saison auf die Jagd mitnehmen würde. Die Tatsache, daß Denys in einem Monat — in drei Wochen — in vierzehn Tagen — ins Internat kommen würde, verlieh ihm einen zusätzlichen Glorienschein. Mary hatte fast ein bißchen Angst vor ihm. Als er nach London zurückfuhr, sagte sie ihm ebenso beiläufig Lebewohl wie er ihr, aber hinterher kletterte sie auf den Dachboden und stand an der Stelle, wo er sie — unfaßlicherweise — geküßt hatte. Und in das staubige Schweigen hinein sagte sie ganz laut: «Lieber Gott, laß es ihm dort gefallen, mach ihn sobald wie möglich zum Captain der Kricket-Mannschaft und sorge dafür, daß er mich noch mag, wenn er zurückkommt.»

4

    Obwohl sie in einer Nacherzählung den Satz umänderte in: und im Französischen einen Aufsatz über Bäume schreiben mußte, ohne die Vokabel für zu kennen, bestand Mary die Aufnahmeprüfung für die St. Martin’s Schule.
    Als sie verließ, weinte sie, nicht weil es ihr naheging, sondern weil es sich so gehörte. Miß Carson küßte sie in der Treibhausatmosphäre ihres Arbeitszimmers und ermahnte sie, stets des Mottos der Schule eingedenk zu sein,     In der Hand ein Pappköfferchen, das wie Leder aussah, in einem unkleidsamen, dunkelblauen Mantel und mit einem scheußlich harten, häßlichen Velourshut auf dem Kopf näherte sich Mary dem imposanten Bau von St. Martin’s. Unter dem Mantel trug sie eine dunkelblaue Tunika mit einem eingestickten rotweißen Wappen auf der Brust und eine weiße Hemdbluse, die mit Rücksicht auf späteres Einlaufen eine Nummer zu groß war. Auch mit dreizehn war sie noch sehr klein für ihr Alter; ihr Haar war noch immer nicht abgeschnitten, aber sie trug es jetzt über die Ohren gekämmt, und es zeigte eine deutliche Neigung, sich zu wellen, was Mrs. Shannon in Entzücken versetzte.
    Nach den ersten Tagen in der St. Martin’s Schule begriff Mary, warum; sich manche Leute hinter der Schlafzimmertür an der Kordel ihres Morgenrocks erhängten. Von den mehr als zweihundertfünfzig Mädchen sprach kein einziges mit ihr. Sie wußte nicht, wo die Waschräume waren, und sie versteckte sich, wenn es Zeit zum Essen war, weil sie nicht wußte, wo sie sich hinsetzen sollte. In den Unterrichtsstunden saß sie stumm dabei; sie vermied es, auf die Spielplätze zu gehen, und auf dem Schulhof wanderte sie

Weitere Kostenlose Bücher