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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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die schönsten Jahre meines Lebens damit vertrödeln, in diesem Nonnenkloster Hockey und Kricket zu spielen? Du solltest bloß mal sehen, was sich tut, wenn da ein Mann auftaucht. Sämtliche Lehrerinnen laufen puterrot an, bekommen hektische Flecken im Gesicht, und ihre Lippen zittern vor Aufregung. Ich werde dort alt und runzlig werden.»
    «Liebling, rede nicht solchen Unsinn. Du bist ja schließlich erst sechzehn. Vorher kommt doch niemand aus der Schule.»
    «Indianermädchen heiraten mit zwölf — und kriegen Babys. Mami, Angela geht schon auf Bälle, sie war sogar schon mal in einer Bar. Und Lippenstift benutzt sie auch. Warum darf ich das nicht?»
    «Weil du’s nicht nötig hast, mein Herz. Warum willst du denn so schnell älter werden? Warum genießt du nicht noch eine Weile deine! Jugend? Du brauchst wirklich keinen Lippenstift und auch keinen Puder, du hast eine wunderbare Haut.»
    «Doch, Mami, ich brauche Puder, mein Gesicht glänzt wie eine Speckschwarte. In der Schule müssen wir uns heimlich auf der Toilette pudern. Neulich haben sie eine Puderdose in einem Becken gefunden, aber keines der Mädchen hat zugegeben, daß sie ihr gehört, und deshalb durften die oberen Klassen eine Woche lang nicht zum Schwimmen gehen. War das nicht verrückt?»
    Mrs. Shannons Glaube an die Erziehungsgrundsätze von St. Martin’s war leicht erschüttert, aber sie gab es nicht zu.
    Mary betrachtete sehnsüchtig die aufgeputzten, billigen Fähnchen in den kleinen Modegeschäften der Kensington High Street, und über die einfachen hübschen Kleidchen, die ihre Mutter nähte, machte sie sich lustig. Einmal sparte sie ihr bescheidenes Taschengeld und kaufte sich dafür einen knallroten Hut, den sie einfach hinreißend fand. Als sie, mit betonter Unbefangenheit vor sich hinsummend, das Zimmer betrat, schrie Mrs. Shannon entsetzt auf und ließ sich mit geschlossenen Augen hintenüber aufs Sofa fallen. Onkel Geoffrey sah kurz auf, sagte nur: «O Gott, ein Straßenmädchen», und wandte sich wieder seinem Kreuzworträtsel zu.
    Das zweite Ereignis war folgendes: Die Mutter einer Schülerin von Mrs. Shannon kam eines Tages zu ihr und bot ihr eine Stellung als Directrice in dem Modegeschäft an, das sie mit viel Geld, aber wenig Erfahrung kurz zuvor in der South Molton Street übernommen hatte. Mrs. Shannon würde mehr als in der Hauswirtschaftsschule verdienen und — wie Mrs. Wilkes Armitage sagte — auch am Gewinn beteiligt sein, sofern sie selbst Geld investieren würde. Geld zum Investieren hatte Mrs. Shannon nicht, aber die angebotene Stellung nahm sie bereitwilligst an, schüttelte den verhaßten Staub der Haushaltsschule von ihren zierlichen Füßen und verwandelte sich mit einem Schlage in eine «My Fair Lady», wie Onkel Geoffrey sich auszudrücken beliebte.
    Das dritte Ereignis betraf Onkel Geoffrey selbst. Die Stücke, in denen er auftrat und mit denen er seine Bädertourneen machte, kamen immer mehr aus der Mode, aber durch das Vertragsangebot eines Hollywood-Agenten konnte er für seine bedrohte Karriere neue Hoffnung schöpfen.
    «Das ist fabelhaft, phantastisch», sagte er, als er seiner Schwester und seiner Nichte diese Neuigkeit mit einer bei ihm noch nie dagewesenen Lebhaftigkeit verkündete, wobei er bereits einen leichten amerikanischen Akzent annahm. «Ich dachte schon, die Posse wäre tot, aber in Hollywood scheint sie noch zu florieren, und — hoppla — ich floriere mit.»
    «Ich freue mich so sehr für dich, Geoffrey», sagte Lily, «wir werden dich natürlich schrecklich vermissen, aber es ist wirklich wundervoll. Stell dir vor, Mary und ich, wir sitzen im Kino, und plötzlich erscheint dein komischer Kopf auf der Leinwand. Mein Lieber», sagte sie und umarmte ihn so stürmisch, daß er rücklings aufs Sofa fiel, «ich hoffe, du wirst Millionär.»
    Mary war begeistert. Ein Onkel beim Film war ja noch viel mehr wert als ein Onkel beim Theater. Sie hockte auf seinem Knie, zog an seinem Schlips und sagte: «Du müßt mir von allen Autogramme besorgen, von allen und von Douglas Fairbanks zwei, eins für Angela mit. Sicher wirst du sie alle kennenlernen, du Glückspilz. Wie sind sie eigentlich — äh - ich weiß, daß du ein fabelhafter Schauspieler bist, aber wieso, ich meine, wie kamen sie ausgerechnet...»
    «Auf mich, meinst du? Keine Ahnung. Als mir der alte Knabe in der Halle vom Piccadilly bei etlichen Whiskys das Angebot machte, bin ich fast ohnmächtig geworden, aber offenbar entspreche ich nun

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