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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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das nun sagte, um ihre wahren Gedanken zu verschleiern, oder ob sie Mary in Wahrheit überhaupt nicht angesehen hatte. Später, als Mary glaubte, Großmutter beobachte Onkel Geoffrey, da sagte sie plötzlich: «Ich höre, Mary ist die Erste in der Klasse», was ganz offensichtlich nur dem Zweck diente, das, was sie wirklich dachte, zu verbergen, denn sie konnte unmöglich etwas Derartiges gehört haben. Nanny würde sie als die Falschheit in Person bezeichnet haben, und Mary hatte manchmal sogar Zweifel, ob sie wirklich die Mutter ihrer Mutter war. Sie hielt es, angeregt durch die Abstammung des Hausmädchens in Charbury, durchaus für möglich, daß Mrs. Payne ihre Tochter in einem Körbchen auf ihrer Schwelle gefunden und diese Tatsache in der für sie typischen unaufrichtigen Art verschwiegen hatte.
    Nach dem Essen mußten sie noch so lange bleiben, bis es für die alte Dame an der Zeit war, sich hinzulegen. «Ich schlafe nie», behauptete sie, obwohl Mary mehr als einmal ihr Schnarchen durch das ganze Haus hatte dröhnen hören, noch bevor sie ihre Hüte aufgesetzt und die Mäntel angezogen hatten. Oben im Wohnzimmer rauchten Mrs. Shannon und Onkel Geoffrey eine Zigarette, während Mrs. Payne mit der Hand vor ihrem Gesicht hin- und herwedelte und ostentativ hustete. Dieselben albernen Kinderbücher, die sie schon seit ihrem sechsten Lebensjahr kannte, wurden für Mary aus dem untersten Fach des Bücherregals hervorgeholt. Sie saß auf dem Fußboden, betrachtete gelangweilt die garstigen Bilder im und fragte sich, für wie alt Großmutter sie eigentlich hielte.
    Endlich erschien Annie mit der Wärmkruke in der Tür und sagte: «Zeit für Sie, sich hinzulegen», und nachdem Mary noch gequält den Abschiedskuß erduldet hatte, war sie frei. Sie drängte ihre Mutter und ihren Onkel, sich so schnell wie möglich anzuziehen und das Haus zu verlassen. Endlich war sie frei und konnte an den Lorbeerbäumen vorbei zum Tor hinaus- und den Hügel hinunterjagen, wobei sie so tat, als rollte sie Bälle vor sich her. Sie mußte sich einfach austoben, um den Alpdruck des Alters abzuschütteln.

    Bei der Abschlußfeier am Ende des Sommersemesters lernten sich Marys Mutter und Angelas Vater kennen, und sie gefielen sich so gut, daß die alte Smithie, die Geographie-Lehrerin, sie mit Pst-Lauten zur Ruhe ermahnen mußte, während die Direktorin ihre Rede über Epidemien kleineren Ausmaßes, das milde Wetter und die Stipendien für Girton hielt. An diesem Tag erlosch auch der letzte Funke von Marys Schwärmerei für Avril Goss, die mit einer Kette aus großen, rosa Perlen erschienen war und die schimmernde Seidenstrümpfe trug, die die wahre Natur ihrer Beine offenbarten.
    Am Tag nach dem Bankfeiertag fuhren Mrs. Shannon, Mary und Angela nach Charbury. Onkel Lionel und seine Familie waren in diesem Sommer nicht dort. Sie waren, ausgerüstet mit Medikamenten zur Pflege seekranker Kinderfrauen, besonders veredelten Nahrungsmitteln und zusammenfaltbaren Kinderwagen, ins Golf-Hotel nach Digues-sur-mer in Belgien aufgebrochen. Tante Grace schrieb, daß die Abflüsse in skandalösem Zustand und Margaret und John an Maul- und Klauenseuche erkrankt seien.
    Angela eroberte ganz Charbury im Handumdrehen. Sie kam mit einer Schrankladung teurer Kleider an, die ihre Mutter für einen Landhaus-Aufenthalt für passend gehalten hatte, und trag die ganze Zeit über nichts anderes als ein paar alte Fußball-Shorts von Denys und dazu jedes Hemd, das sie in dem Trockenschrank im Badezimmer erwischen konnte. Großmama und Großpapa sagten, sie wäre ein reizendes Kind; Onkel Guy fand, sie hätte bereits Sex-Appeal, worauf Tante Mavis indigniert erwiderte, sie wisse wirklich nicht, was er damit meine; Mrs. Linney sagte, sie wäre goldrichtig, und Bates stellte fest, sie würde niemals eine gute Kricketspielerin werden; Tom meinte, sie würde auf einem Droschkengaul ein Rennen mitreiten, wenn sie gerade Lust dazu hätte, und Nanny seufzte erleichtert: «Gott sei Dank, daß ich dich nicht erziehen mußte.» Julia bettelte: «Hübsche Angela, erzähl Ju-Ju eine Geschichte», und Denys sagte, daß sie und Mary die beiden einzigen Mädels wären, mit denen er mehr als fünf Minuten verbringen würde. Erst hatte Mary gezittert, daß Angela ihm nicht gefallen könnte, und dann zitterte sie, daß sie ihm zu gut gefallen könnte.
    Er war sechzehn und fast so groß wie sein Vater; er sonnte sich in dem Ruhm, Captain der Zweiten Elf und zwölfter

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