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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Liebe richtig kennen lernte."
    Marguerite de Navarre ,
Lettre d`adieu d`Élisor à sa reine

    François-Bérenger Saunière bekam ich erst am nächsten Morgen zu Gesicht. Eine stattliche Erscheinung, könnte man sagen, ein Mann, der auf Anhieb gefangennahm. Dunkle, kurzgeschnittene Haare, schwarze und zugleich übermütig blitzende Augen in einem ebenmäßigen, sympathischen Antlitz. Sein schön geschwungener Mund war leicht geöffnet. Die Überraschung, ein junges Ding bei Émilie vorzufinden, war ihm ins Gesicht geschrieben.
    „Nanu, Émilie, du hast Besuch? Stell mir doch die hübsche junge Dame vor, die ich noch nie gesehen habe, hier oben auf dem Berg“, sagte er ein wenig gestelzt.
    Bevor die Alte ansetzen konnte, ihm zu antworten, nahm ich entschlossen die Sache selbst in die Hand.
    „Ich bin die Marie Dénarnaud aus Couiza. Abbé Boudet empfiehlt mich Ihnen als Haushälterin. Natürlich müssen Sie erst mit mir einverstanden sein. Nur weiß ich nicht, wie ich meine Fähigkeiten unter Beweis stellen soll, nachdem das Pfarrhaus so gut wie nicht bewohnbar ist“, platzte ich heraus, wie es so meine Art ist.
    „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein lenkt seinen Schritt“, zitierte er, während er mich von oben bis unten aufmerksam musterte. Mir schoss das Blut in die Wangen, und mein Herz begann bei seinen Worten, schneller zu schlagen.
    „Ihr werdet sie doch nicht wieder wegschicken, die Kleine, oder?“ Émilie hatte sich vor ihm aufgebaut, die Hände in die Hüften gestemmt, und ihr Blick sagte ganz deutlich, was sie von einer solchen Idee hielt.
    „Es wäre freilich am besten so, Émilie. Niemand kann etwas für diese widrigen Umstände. Woher hätte Boudet wissen sollen, dass die Renovierung noch gar nicht begonnen hat.“
    „Hochwürden“, warf ich ein, meine Stimme nahm einen verzweifelten Unterton an, „geben Sie mir doch eine Chance! Ich habe meine alte Stelle bereits aufgekündigt, wo soll ich so schnell neue Beschäftigung finden? Mit freier Kost und Logis wäre ich vorerst vollauf zufrieden.“
    „Also gut“, er nickte und lächelte ein wenig ironisch. „Abgemacht! Betrachte dich ab sofort als meine Haushälterin, Marie Dénarnaud aus Couiza.“
    Mit diesen Worten drehte er sich um und ging hinaus.
    Émilie schüttelte mir freudig die Hand.
    Ich stand ein wenig verloren in ihrer Küche. Noch immer klopfte mein Herz.
    Hatte mir jemals die Trussaut solches Herzklopfen bereitet, obwohl sie eine garstige Person war?

    Es sollte noch mehr als zwei Monate dauern, bis ich endlich mein Zimmer im Pfarrhaus beziehen konnte. Ein winziges buckliges zwar – aber mein erstes eigenes Zuhause! Als Kind hatte ich bei der Großmutter im Bett schlafen müssen. Später musste ich mich im Schlafzimmer meiner Eltern mit einer abgeteilten Ecke hinter einem verschossenen, rostbraunen Vorhang begnügen.
    Natürlich liebten die Eltern mich, ihre einzige Tochter. Aber es gab oft Streit, weil die Großmutter, die tagsüber das Haus hütete, zum Ärger der Eltern viel zu nachgiebig war mit mir. Meine Mutter, Alexandrine gerufen, trat beim ersten Hahnenschrei ihren Dienst gleich nebenan, beim Bauern George Bourriche, an. Monsieur Bourriche war einer der reichsten Grundbesitzer von ganz Couiza, aber Mutter verdiente dort beileibe kein Geld. Sie wurde in Naturalien entlohnt, was heißt, dass sie reichlich Kartoffeln, Gemüse, Eier und Geflügel nach Hause schleppte. Außerdem wohnten wir mietfrei in dem kleinen Austragshäuschen am Rande seines Hofes. Dennoch kam sich Maman ausgenützt vor, weil sie für sich keinen einzigen Sous beiseitelegen konnte. Mit den beiden tief eingegrabenen Falten, die sich um ihre Mundwinkel zogen, war sie eine eher herbe Schönheit. Sie lachte selten und seufzte oft.
    Vater sah geringschätzig auf ihre Arbeit herab. Er selbst stand morgens kurz nach ihr auf, um als Gemeindearbeiter seine Pflicht zu tun, eine Knochenarbeit, die auch nicht besonders gut honoriert wurde. Aber seinerzeit war man froh, überhaupt Arbeit zu haben und zusammen mit den Kindern über die Runden zu kommen. Für uns Geschwister hieß es stets: „Seid fleißig und ordentlich, damit ihr es später einmal besser habt als wir!“ oder - „Grüßt die Erwachsenen höflich, und gebt dem Lehrer und dem Pfarrherrn nur ja keine Widerrede!“
    Nun war ich aber zu ihrem Unglück so geraten, dass ich ständig versucht war, Widerreden zu geben, ob zu Hause oder in der Schule. Meine erste kräftige

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