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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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als auch im Privatleben. Bereits bei den Hochzeitsvorbereitungen hatte ich es gemerkt: Seine Schwester war ja gerade noch erwünscht, um der pompösen Hochzeitsfeier beizuwohnen, aber Großmutter und Eltern?
    Ob die Eltern betroffen waren, dass man sie nicht eingeladen hatte? Schwer zu sagen. Ihr einziger Sohn, ihr Stolz, würde nun ja ein Geschäftsmann werden, vielleicht sogar reich! Das entschuldigte alles. Und aus diesem Grunde ließen sie sich nichts anmerken und gaben mir den Auftrag, in Lyon ein passendes Geschenk zu kaufen. Einen schönen Batzen Geld hatten sie für die kapriziöse Schwiegertochter zusammengekratzt, so dass ich kurz in Versuchung geriet, der lieben Schwägerin jene besondere Klobürste mit extrastarken Borsten und Barthélémy den entsprechenden Porzellantopf dazu zu schenken, die ich bei meiner Ankunft in Lyon in einer Auslage entdeckt hatte. Dass sie in Lyon bereits seit zwei Jahren an die Kanalisation angeschlossen wären und ein gekacheltes Toilettenzimmer hätten, hatte sie mir bei ihrem ersten und einzigen Besuch bei uns zu Hause erzählt, als sie naserümpfend vom Örtchen im Hof zurückkam, auf dem es im Sommer von Fliegen nur so wimmelte.
    Letztlich entschied ich mich schweren Herzens für eine Waschschüssel aus feinem Porzellan mit einer dazu passenden schlanken, hohen Kanne. Dass das Blumenmotiv darauf ausgerechnet aus Disteln bestand – ja, was konnte ich dafür? Es sah trotzdem ganz nett aus – und man konnte ja eine solche Garnitur notfalls ins Gästezimmer verbannen, wo sich die Schwägerin Marie ab und zu einzuquartieren gedachte.

    Das Pfarrhaus war zwar noch immer nicht gerade einladend, aber die Handwerker und Helfer aus der Gemeinde hatten sich alle Mühe gegeben, es zumindest bewohnbar zu machen. Dass es auch gemütlich würde, dafür wollte ich schon Sorge tragen. Nach meinem Einzug schmückte ich es über und über mit rosafarbenen Pfingstrosen und blauen Glockenblumen, die zusammen mit der gemeinen Raute, der Kornrade und der Zitronenmelisse den Pfarrgarten ganz zugewuchert hatten. Émilie schenkte mir ein halbes Dutzend Laken, sogar Tisch- und Bettwäsche, dazu Teller, Vasen, Töpfe, Bilder, die sie entbehren konnte aus ihrem Haushalt. Zu meiner Überraschung waren auch die herrlichen Fabelteller darunter.
    „Die Teller kann ich unmöglich von dir annehmen, Émilie, niemals!“
    „Ach Marie, was soll ich damit“, hatte Émilie müde abgewehrt, „ich bin eine alte Frau. Kinder hab ich auch keine, die einmal etwas erben wollen, also nimm sie ruhig.“
    Und so kam ich in den Besitz der wundervollsten Teller, die ich mir damals vorstellen konnte. Émilie, die fast alles konnte und so vieles wusste, aber noch bedeutend mehr erahnte, hatte mich in meine neue Aufgabe als Pfarrhaushälterin gut eingeführt und mir obendrein kurz vor dem Umzug noch zwei hübsche Kleider umgearbeitet. Ein dunkelgrünes aus falscher, changierender Seide für den Sonntag, die langen, schmalen Ärmel mit zahlreichen kleinen, vom gleichen Stoff überzogenen Knöpfen besetzt. Das Ganze krönte ein cremefarbener Spitzenkragen, und beim Gehen raschelte der weite Rock richtig vornehm!
    „Damit du was darstellst, drüben beim Abbé!“ hatte sie gemeint, als ich mich vor ihrem Spiegel drehte. „Der neue Priester ist nämlich ein Herr, nicht so einer wie sein Vorgänger!“
    Das zweite Kleid stand mir besonders gut. Der fliederfarbene Stoff war über und über mit zierlichen schwarzen Röschen bedruckt.
    Zum ersten Mal, seit ich die Großmutter verlassen hatte, genoss ich es wieder, umsorgt und umhegt zu werden, und ich betone noch einmal, dass mir die liebe Frau Émilie eine echte Freundin wurde, obwohl sie weit über fünfzig Jahre älter war. Hätte ich sie nur in meiner Kindheit schon gekannt! Wie gut hätte das meiner Seele getan. Nichts Menschliches war ihr fremd, kein Verhalten zu absonderlich, um nicht irgendeine Entschuldigung oder eine Erklärung dafür zu finden.
    Ihr hätte ich vor allem die Geschichte mit dem Krämer Chalet anvertrauen können.

3
„Ist dein Gesicht dafür gemacht, verhüllt zu bleiben?“
    François Maynard , La belle vieille

    Es war ein schwüler Sommernachmittag, als mich die Großmutter zum Krämer Chalet nach Montazel schickte, um Wolle und Nähnadeln zu besorgen. Mit den Worten: „Du bist jetzt bald zehn Jahre alt, Marie. Da ist es an der Zeit, dass du lernst, mit Geld umzugehen. Vergiss nicht, dir einen Zettel geben zu lassen, auf dem der Betrag der

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