Marie und die Sache mit Papas neuer Freundin
das heißt nicht, dass du mich vor ihnen lächerlich machen darfst!« Marie äffte Papas amerikanische Stimmenach: » Der Toud kommt sowiesou . Das war total peinlich!«
Elias verzog die Schnurrbartbrücke zu einem Lächeln. Marie musste sich abwenden.
»Weißt du«, sagte Papa langsam, »wir leben jetzt seit zehn Jahren zusammen, und ich liebe dich. Aber ich habe zehn Jahre lang dich gewickelt, dich getröstet, dir vorgelesen, mit dir gespielt und dir zugehört. Heute Nacht räche ich mich. Heute Nacht mache ich, was ich will.«
»Du bist peinlich!«, brüllte Marie wieder und drehte sich auf dem Absatz um, damit sie den Ekelschnurrbart nicht mehr sehen musste.
»Und wenn du dich schon in deinem Zimmer verkriechst«, rief Elias seiner Tochter hinterher, »dann räum wenigstens endlich auf!«
»Niemals!« Maries Antwort ging im Knallen der Zimmertür unter. Sie würde nie wieder mit Papa sprechen.
Schon nach fünf Minuten klingelte es wieder an der Haustür. Trotz ihrer Wut ging Marie lauschen. Diesmal war es nicht ganz so schlimm. Vor dem Haus stand Maries bester Freund Cem mit seinen beiden kleinen Schwestern. Dana und Elin kicherten nur. Cem verlangte tapfer nach Süßem oder Saurem, auch wenn Marie an seiner Stimme hörte, dass er von Papas Schnurrbart ziemlich verwirrt war.Morgen würde sie Cem alles erklären. Immerhin konnte Marie bei ihm sicher sein, dass er die Geschichte nicht rumtratschen würde. Cem war immer auf Maries Seite, immer.
Als die Haustür ins Schloss fiel, ging Marie wieder nach unten. Sie konnte einfach nicht den Mund halten.
»Ich find das total doof, Papa«, sagte sie. »Wir wollten uns doch einen gruseligen Halloween-Abend machen. Zusammen! Nur wir zwei! Und jetzt bist du so eklig …«
»Ach, komm schon, Große.« Papa schnurrte wie ein Kätzchen, wie immer, wenn er Marie trösten wollte. »Sei kein Spielverderber. Ich mach doch nur Spaß! Morgen kommt der Bart wieder ab. Und jetzt essen wir unsere Kürbissuppe.«
»Morgen ist zu spät! Und die Kürbissuppe …«, Marie suchte nach Worten, »… die doofe Kürbissuppe kannst du dir in den Bart schmieren.«
Zum dritten Mal an diesem Abend verschwand Marieentnervt in ihrem Zimmer, und zum dritten Mal klingelte es an der Tür. Marie schlich ein paar Schritte die Treppe hinab, sodass sie durch die Holzstäbe des Geländers genau erkennen konnte, wer draußen stand. Papa sah sie zum Glück nur von hinten.
»Yes? You want Süßes?«, fragte Papa. Vor der Tür stand eine Frau, die Marie noch nie gesehen hatte. Sie hatte blonde Haare und ein strahlendes Lächeln auf dem runden Gesicht, doch beim Anblick von Elias und seinem Schnurrbart erstarrten ihre Gesichtszüge.
Auch Papas Lässigkeit war plötzlich dahin. »You want …«, stotterte er. »Youdis … äh … Judith? Was für eine …«
»Überraschung«, beendete die Blonde den Satz. »Ich dachte, ich könnte mit dir und deiner Kleinen einen schönen Abend verbringen,Elias. Aber du bist wohl beschäftigt.« Die Frau guckte Papa von seinem Ekelschnurrbart über den haarigen Bauch bis zur Fußballerhose an. Das starre Lächeln verrutschte nicht für eine Sekunde.
Marie schwirrte der Kopf. Wer war diese Judith und warum wollte sie mit Papa und ihr einen schönen Abend verbringen? Und seit wann war Marie bitte schön Papas Kleine? Sie war immerhin zehn!
»Natürlich«, sagte Papa jetzt und hielt die Haustür weit auf. »Eine tolle Idee, Judith. Ich freue mich! Komm rein. Mach es dir im Wohnzimmer bequem, ich gehe mich bloß schnell …«, Papa guckte an sich hinunter, »etwas frisch machen.«
Die Frau lächelte immer noch, als sie an Papa vorbeiging, aber jetzt war es nicht mehr starr, sondern wirkte warm und liebevoll. Was fiel dieser Fremden ein, Elias so anzugucken?
Zwei Sekunden später kam Elias die Stufen hinaufgerannt. Er bemerkte Marie, die noch immer auf der Treppe hockte, nicht einmal und verschwand im Schlafzimmer. Bald darauf kam er in seiner besten Jeans und einem Hemd wieder heraus. Er knöpfte es noch zu, während er schon wieder zur Treppe eilte.
»Da bist du ja, Marie.« Elias bückte sich, zog Marie auf die Beine und betrachtete sie von oben bis unten. Marie schüttelte sich, als der Ekelschnurrbart ihr auf einen halben Meter nahe kam. »Geht gerade so«, murmelte Elias. »Komm mit.«
Marie sah an sich hinunter. Geht gerade so? Was sollte das heißen? Fand Elias etwa Maries gemütliche pinke Jogginghose und das alte lila T-Shirt mit
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