Marienplatz de Compostela (German Edition)
in der Maillingerstraße mehr Charme.
Eine distanzierte Blonde nahm sie an der Aufzugtüre in Empfang. Ihre Gestik wirkte gehemmt und erinnerte an eine reparaturbedürftige Automatenpuppe. Einige Male warf sie den Kopf harsch ins Genick, schaute dann wieder für einen Augenblick zur Seite, während sie ihre erlernten Floskeln loswurde. Überhaupt mied sie den Blickkontakt und sprach ihre knappen Sätze in bestimmtem Ton, wobei sie es nicht fertigbrachte, eine freundliche oder höfliche Stimmlage zu treffen. Sie vermittelte das Gefühl sich persönlich gestört zu fühlen und brachte die beiden mit rabiatem Gang durch den breiten Flur in das hinterste Büro, wo zwei Männer warteten, die an einem langen Besprechungstisch saßen und ihr Gespräch unterbrachen. Ein Mittfünfziger mit langen grauen Haaren stand gebeugt an einem Stuhl und fixierte sie mit falschem Lächeln. Sein Oberkörper deutete Verbeugungen an, während er Belangloses dahersagte. Er hatte sich als Rudolf Siebl vorgestellt und schien hier der Chef zu sein.
Der andere war klein, hatte eine gedrungene Gestalt und die wenigen Haare kurz geschoren. Aus seinem Gesicht blickte ein andienendes Grinsen.
Hartmann hatte nach dem Eintreten ins Büro in einer spiegelnden Glasfläche eines der Gemälderahmen gesehen, wie dieser Typ eine kurze, hämische Kopfbewegung in seine Richtung vollzogen und Siebl dabei zugezwinkert hatte. Er wurde ihm als ein Herr Buntzl vorgestellt.
Hartmann nahm es amüsiert zur Kenntnis; sie unterschätzten ihn also. Ein wenig wollte er die Rolle des Harlekins spielen, die ihnen seine Kleidung scheinbar vermittelte; er legte also ein nichtssagendes Dienstlächeln auf, blickte immer wieder zur Seite, als sei er nicht ganz bei der Sache und brauche Zeit zur Reflektion.
So unterbrach er zunächst auch nicht das von Siebl und Buntzl vorgetragene, belanglose Geschwätz, obwohl es ihm seine Zeit stahl. Sie redeten, als bestünde gar kein Interesse daran zu erfahren, aus welchem Grund die Polizei im Hause war. Eigenartig. Sie erzählten von Zuschüssen, die ihren Projekten verweigert worden waren und warum und wie sie dagegen vorgehen wollten, mit welcher Unterstützung seitens der Presse gerechnet werden konnte. Hartmann hörte zu und wartete.
Siebl beendete das Gerede nach einer Weile, nicht ohne Buntzl dumm dastehen zu lassen. Als der gerade einen Satz beendet hatte, sprach er mit bösartiger Liebenswürdigkeit: »Ja nun gut. Ich denke das interessiert die Herren vom Landeskriminalamt nicht und wir sind gespannt, was Sie zu uns führt.«
Hartmann fiel Siebls analytische Stärke auf, wie er versuchte mit jedem Wort, jeder Betonung, jeder Phrase seine Alphaposition zu zementieren und zu zelebrieren. Einer dieser Souveränität ausstrahlenden Anzugträger, die sich selbst gerne reden hörten, die in ihrer Welt ein Jemand waren und über eine gewisse Reputation verfügten – man kannte Leute, unterhielt Beziehungen, wusste, was man wert war und machte es mit jedem Ton, jeder Geste deutlich. Hartmann lächelte hintersinnig. Wusste dieser Siebl überhaupt von den vielen anderen Welten um ihn herum, in denen er nichts galt, in denen sein Wissen um die Dinge nichts wert war. Wie würde es sein, wäre er seiner Welt beraubt?
Erst jetzt fiel Hartmann auf, dass die Blonde immer noch im Raum war. Sie stand an der Tür und schnaufte genervt, wie eine pubertäre Göre. Hartmann kannte das von seiner Tochter. Doch die durfte das, ja sie musste sogar so sein, denn mit vierzehn war das normal.
Siebl klang gequält, als er sich an Frau Gnotze wandte. »Frau Gnotze, was ist denn noch?«
Ihre Stimme war gellend und strömte eine latente Aggressivität aus. »Ja nun, ich also habe noch jede Menge Arbeit. Ich muss noch die Musterausschreibung für ganz Bayern fertig bekommen und weiß nun auch nicht wie … werde ich hier denn gebraucht? Ich denke doch eher nicht … und die Verträge muss ich auch noch durchgehen … es ist einfach schwierig mit diesem wenigen Personal, noch dazu, wo es die Qualifikation betreffend Fragen gäbe …«
Siebl nickte wissend und winkte sie mit einer lässigen Handbewegung hinaus. Sie wurde nicht gebraucht und durfte sich ihrer Musterausschreibung für ganz Bayern widmen.
Seltsamer Laden, dachte Batthuber, hielt aber die Klappe, so wie es Hartmann verlangt hatte.
Der kam nun ohne Umschweife zur Sache, nannte den Namen Anne Blohm, erklärte in groben Zügen die Umstände ihres Verschwindens und erläuterte, dass es
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