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Marienplatz de Compostela (German Edition)

Marienplatz de Compostela (German Edition)

Titel: Marienplatz de Compostela (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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gewesen sein konnte, wie heutzutage sein Blau an Tausenden Bürowänden verkam. Auch Franz Marc war so ein schlimmes Schicksal beschieden. Kein Angestelltenbüro ohne ein blaues Pferd. Das hatte seinerzeit noch für Skandal gesorgt, als es im Original durch München transportiert worden war. Lange her. Andere Zeiten.
    Er fixierte den Kandinsky und ließ ein euphorisches »Schön« hören, als hätte er es zum ersten Mal gesehen.
    Siebl meinte: »Ich male selbst.« Ein wenig Stolz klang mit.
    Hartmann nahm den Ball auf und deutete überrascht auf den Druck und sagte theatralisch irritiert: »Das ist von Ihnen!?«
    Siebl lächelte wohlwollend. »Nein, das ist von Kandinsky.«
    Hartmann packte die Chance beim Schopf etwas Persönliches von diesem Kerl zu erfahren und setzte die Show fort. »Und was ist von Ihnen, hier … was?« Er tat einige Schritte im Büro und suchte einen Siebl, von dem er wusste, dass es ihn nicht gab. Kandinsky, Münter, Jawlenski. Die kleine Ausgabe des Lenbachhauses hing herum, als Billigdruck hinter Ikea-Rahmen.
    Siebl erklärte mit Ernst in Stimme und Haltung. »Ich zeige meine Bilder nicht.«
    Hartmann tat enttäuscht. »Nicht? Aber wieso nicht?«
    »Weil ich das nicht mag.«
    »Ahh … sind sie nicht gut genug, Ihre Bilder, zum Herzeigen?«
    Siebls Miene bekam eine überraschende Strenge und er sprach schneller, als es seine Entrüstung erlaubt hätte. Er verlor wegen diesen dummen Bullens die Argumentationslinie. »Das meine ich nicht … das meine ich nicht damit. Es geht in der Kunst nicht wirklich um gut …«
    Hartmann war gnadenlos. »Ja, aber wenn man malt und traut sich nicht es zu zeigen, dann hält man es doch nicht für gut genug, dann fehlt einem doch die nötige Eitelkeit, der Mut, der dazugehört … die Risikobereitschaft in Kauf zu nehmen zu scheitern … weil man nicht von sich selbst überzeugt ist und sein Werk im Grunde für mittelmäßig oder spießig hält. Ist es nicht so?« Er ließ nur eine kurze Pause entstehen und log dann: »Ich dachte ja auch mal ich müsste malen, habe es dann aber aus eben diesen Gründen sein lassen – nicht gut genug für fremde Augen und Sinne.«
    Siebl war blass geworden und sagte mit tonloser Stimme. »Ich denke, man muss das differenzierter betrachten, wie gesagt … es geht um Kunst.«
    Hartmann tat wie abwesend, sah aus dem Fenster, während er zitierte:
    Zu jubeln ziemt nicht: kein triumf wird sein ·
    nur viele untergänge ohne würde.
    des schöpfers hand entwischt rast eigenmächtig
    unform von blei und blech · gestäng und rohr.
    Siebl unterdrückte seinen aufkeimenden Zorn und hob fragend die Hände. Das war besser, als etwas zu sagen, denn seine Stimme hätte seine emotionale Lage preisgegeben.
    »Stefan George«, erklärte Hartmann, »Stefan George … kennen Sie doch sicher, wenn Sie schon hier am gleichnamigen Ring arbeiten, oder?«
    Er wartete keine Antwort ab. Wozu auch. Keiner von diesen Typen hatte jemals Stefan George gelesen, denn sie gehörten zu jenen, die der erkrankten Welt ihr Fieber zufügten. Während er den Gang entlangging, murmelte er leise vor sich hin:
    … Der alte Gott der schlachten ist nicht mehr.
    Erkrankte welten fiebern sich zu ende
    In dem getob. Heilig sind nur die säfte …
    Die laute Stimme von Frau Gnotze war bis in den Gang zu hören; sie telefonierte, und es war nicht angenehm für ihren Gesprächspartner.
    Buntzl schloss mit schnellen Schritten zu Hartmann auf und präsentierte ein selbstgefälliges Grinsen. Sanft lispelte er ihm zu: »Na aber … ein Polizist, der malt und Gedichte rezitiert … was soll man davon halten?«
    Halt’s Maul, dachte Hartmann und schwieg.
    Batthuber kam ihnen entgegen.
    Unten im Auto fragte Hartmann: »Wieso bist du raus?«
    »Habe mich umgesehen. Sind wirklich nur ein paar Leute da. Ganz hinten ist noch ein Büro für die Sekretärin, ist eine dünne Rothaarige. Daneben war noch ein Raum, da saß ein älterer Typ drinnen, aber der hat gepennt. Ich wollte ihn nicht wecken und habe die Rothaarige ein bisschen was gefragt: nach den zwei Standorten, an denen aus Gescheiterten wieder ordentliche Menschen gemacht werden.«
    »Und weiter?«, ließ Hartmann nicht locker.
    »Ist dir auch aufgefallen, dass die alle Türen offen stehen haben. Nur als wir gekommen sind, wurde die Tür zu Siebls Büro geschlossen.«
    »Mhm, ja und?«
    »Die Sekretärin, die hat nur geflüstert, den Finger auf den Mund gelegt und hinaus in den Gang gedeutet, in Richtung dieser

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