Marienplatz de Compostela (German Edition)
erklärte stoisch: »Herr Siebl, die ist aktiviert, wenn Herr Doktor Schott ungestört sein möchte und im Moment ist gerade seine Frau hier … ich gehe davon aus …«
»Es ist dringend!«, unterbrach Siebl derb.
Schotts »heilige« Marianne nervte ihn schon immer ihrer mütterlichen Art wegen. Er fand, sie plusterte sich auf. Chefsekretärin! Diese Marianne war es nicht nur – sie lebte diese Funktion. Ob Schott sie auch anders gebrauchte?
Ohne ihre Verärgerung hörbar werden zu lassen, antwortete sie: »Ich werde fragen. Sie müssen so lange warten.«
Siebl hörte beiläufig die Klaviermusik der Telefonanlage, die sie zugeschaltet hatte. »Blöde Kuh!«, bellte er in den Raum.
Soso, Schotts Frau war also wieder in der Firma und er wollte ungestört sein.
Richard Claydermann presste seine Füße noch weitere Takte auf die Klavierpedale, bis endlich eine ruhige Männerstimme das Gesülze unterbrach. »Schott!«
Siebl nahm den Hörer wieder ans Ohr und sagte ohne Begrüßung: »Die Polizei war da.«
Sein Gegenüber war von der unhöflichen, direkten Art und Weise irritiert und schwieg.
Für ein paar Sekunden bereute es Siebl, seinen Unmut nicht gezügelt zu haben, doch hielt er stand.
»Polizei?«, fragte Schott schließlich, »weswegen?«
»Anne Blohm.«
»Anne Blohm?«, kam es überrascht.
Siebl war von der Frage Schotts irritiert. Mehr noch von der Pause, die danach eintrat. Was verwunderte Schott so sehr?
Schott sprach erst nach einigen Sekunden weiter. Die Situation zwang ihn wirklich zum Überlegen. »Ich dachte, das hätte sich erledigt? Sie hat uns doch verlassen und wir haben eine Vereinbarung …«, er unterbrach, beinahe erschrocken, und fragte, »was ist denn da noch?«
»Das Problem ist auf andere Weise zurückgekehrt. Sie ist verschwunden … auf dieser Pilgerreise, die sie unternehmen wollte.«
»Verschwunden? Einfach so verschwunden? Das kann doch gar nicht sein. Niemand verschwindet einfach so.«
»Ja eben doch. Und jetzt war die Polizei hier und hat nach ihr gefragt.«
Schotts Stimme nahm wieder Siebl vertraute Modulationen an. »Nun, das halte ich doch für eine logische Vorgehensweise der Beamten, oder gibt es konkrete Vorwürfe in unsere Richtung, vielleicht …?«
Siebl unterbrach sofort: »Nein, nein, gar nicht … überhaupt nicht … das nicht. Es war nur allgemein, was sie gefragt haben, ich dachte nur, es wäre wichtig die Information unverzüglich an Sie weiterzugeben. Man weiß nicht, was daraus werden kann und wie es auf das Unternehmen einwirken könnte. Mir ging es nur darum, rechtzeitig zu informieren.«
Er wartete auf eine Antwort, lauschte aber nur in diesen blöden Telefonhörer. Schott schwieg beharrlich. Siebl sprach daher weiter: »Wir sollten vielleicht noch einmal reden, über das weitere Vorgehen die Firmen betreffend. Ich halte es für im Moment äußerst ungünstig …«
Ein klares, deutliches, von Emotionen freies »Nein« stoppte seine holprigen Erklärungsversuche.
»Nein. Wir haben es besprochen und es bleibt dabei. Dieses Nein gilt nicht für ein Treffen, für ein Gespräch, das ich auch für erforderlich halte. Mache einen Termin mit Marianne aus, aber nicht zu schnell, ich bin gerade sehr in Gedanken und eingebunden in andere Dinge, die meine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration erfordern, du verstehst.«
Die letzten Worte waren keine Frage. Sie waren als Feststellung zu verstehen.
Doktor Schott legte auf, ohne eine weitere Erklärung abzugeben.
Siebl sank in den Bürostuhl, rollte nach hinten, bis die hohe Lehne an die Wand stieß. Er sah hinaus in die Weite.
Was für ein beschissenes Leben, dachte er, was für ein beschissenes Leben.
*
Batthuber fuhr auf der Denninger Straße entlang. Eine Stadtflucht wie jede andere. Nur wer es wusste, ahnte den kleinen Park, die Tennisplätze, von denen das Ploppen der Aufschläge über die Grasflächen drang, bis es in der Geräuschkulisse der Stadt verschwand.
»Was war denn das mit dem Gedicht da vorhin. Wusste gar nicht, dass du auf so was stehst?«, stellte er fest und sah fragend zu Hartmann.
»Ich steh da nicht drauf«, stellte der fest.
»Ja, aber …«
»Nix aber … ich hatte einen Lehrer, der ist auf diesen George voll abgefahren und wir sollten das lernen, auswendig. Das eine Gedicht ist mir hängen geblieben und ich weiß nicht, wie viele Gehirnwäschen es bräuchte, bis ich den Scheiß vergessen könnte. Es war das erste Mal, dass ich es gebrauchen konnte. Mehr
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