Marienplatz de Compostela (German Edition)
Gnotze, diesem blonden Trampel, die hat doch nen Schuss, oder? Sie hört wohl mit, was so im Sekretariat los ist. Die Rothaarige hat einmal telefoniert, und plötzlich schreit die Gnotze aus ihrem Büro heraus, was sie so und so und nicht anders bräuchte. Ja hör mir auf, sind das Umgangsformen. Komische Truppe, oder was meinst du? Ein Schleimer, ein Schläfer, eine Wahnsinnige …«
»… und eine grauhaarige, schlaue Krähe«, ergänzte Hartmann, der an Siebl dachte.
»Dieser Siebl«, sagte Batthuber, »der scheint eine ziemliche Nummer zu sein. Im Sekretariat lag eine Zeitschrift herum, da war er auf dem Titel abgebildet. Und an der Wand hing ein eigener Jahresplaner für ihn. Der hat jede Menge Vorträge und Reden zu halten. Hab es fotografiert.« Er kramte sein Smartphone hervor und wischte mit den Fingern. »Vor drei Wochen eine Rede vor der Diakoniegesellschaft Sozialisationsinstanzen und ihre Bedeutung für den kriminellen Entwicklungsverlauf, die Woche darauf dann bei der Caritas in Paderborn: Reintegrationsprozesse und die alte Idee der Resozialisierung, und jetzt am Wochenende war er im Sozialreferat München mit Sozialisation und Sozialkontrolle. Und so geht das quer durchs Jahr.«
Hartmann ließ einen anerkennenden Laut hören. »Na ja, blöd ist er nicht … wo ist eigentlich diese Außenstelle für diese Erwachsenenintegration, oder wie immer das heißt, hast du das wenigstens herausbekommen?«
»In der Nähe vom Euroindustriepark … links von der Heidemannstraße.«
»Passende Gegend, da gleich in der Nähe vom Industriepuff. Na, dann auf zum Leierkasten.«
*
Siebl hatte Buntzl im Gang nachgesehen, und an seinem Gehabe diese hündische Anbiederung wahrgenommen, mit der er Hartmann zum Aufzug begleitete. Ekelhaft. Dieser Buntzl war ihm schon immer suspekt gewesen. Ein quadratischer Kretin mit aufgesetzter Freundlichkeit; diese devote Höflichkeit und stete Zuvorkommenheit, der man nicht entkommen konnte, gegen die man nichts sagen konnte. Er hatte einmal gehört, wie er in ärgerlichem Ton zur Sekretärin gesagt hatte, er sei nicht hier, um in seinem Büro zu verkommen. Karriere wollte er also machen, der Buntzl.
Siebl verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. Ja, es war es eine gute Idee gewesen, diese Gnotze einzustellen. Schon beim ersten Gespräch hatte er das gewaltige Konfliktpotenzial erkannt, das sie einem bot, diese latente Aggressivität in ihrer Persönlichkeit. Die Zeugnisse und der andere Kram waren halbwegs in Ordnung und er hatte sie genommen. Sie war mit Buntzl zunächst ganz gut ausgekommen. Die beiden hatten sich sogar geduzt, was Siebl nie hat verstehen können. Ausgerechnet diese beiden. Aber die Freundschaft hatte nicht lange gehalten und es war eingetreten, was er erhofft hatte – sie waren in erbitterten Streit über Nichtigkeiten geraten. Er hätte vermitteln sollen, was er auch getan hatte. In Einzelgesprächen hatte er jedem seine Unterstützung versichert und die Schwächen des jeweils anderen als ihm bekannt benannt. Dann gab es ein gemeinsames Gespräch, in welchem einander verziehen und das Engagement für gemeinsame Ziele beschworen wurde. Am Abend dann hatte er ein wenig Cognac zu viel getrunken, vor lauter Behagen.
Seither schwelte der Konflikt zwischen den beiden auf hoher Temperatur, wie ein Vulkan, immer in der Lage zu einer Eruption zu gelangen. Die Gnotze war beschäftigt und Buntzls Ambitionen waren entscheidend gehemmt; eine Eskalation des Konflikts schadete seinem Fortkommen, der Status quo hinderte einen Fortgang ebenso. Siebl hatte ihn mit der Dame sehr elegant schachmatt gesetzt.
Er lächelte. Dame? Damit war Frau Gnotze zwar nur schwer zu assoziieren, aber auch beim Schach war die Dame für die Grausamkeiten zuständig, der König im Grunde ein bewegungsloses Etwas, um das sich jedoch alles drehte. Wie im richtigen Leben.
Er wendete sich um und sein Blick fiel auf die geöffnete Tür des Büros, wo die Rothaarige saß. Er war gespannt, wie lange sie da noch aushalten würde. War wohl ein zäher Typ. Auch so eine selbstbewusste junge Frau, der man kaum näherkam. Sie hatte etwas Schnippisches in ihrem Blick und manchmal, wenn sie telefonierte, dann lachte sie auf eine ihn störende frivole Weise.
Anne Blohm, ja das war eine ganz besondere Frau gewesen.
Er ging zurück ins Büro und erinnerte sich ihrer lebensfrohen Ausstrahlung, wenn sie den Gang entlanggekommen war. Die Energie, die in jeder ihrer Bewegungen zu erkennen war und dabei
Weitere Kostenlose Bücher