Marienplatz de Compostela (German Edition)
nimmt das dann mit ins Wochenende, und das sollte ja nun unbelastet sein. Bestätigen Sie den Termin für Montag, gleich in der Früh. Sie soll schon um acht Uhr kommen, ja. Ich bin ja bereits ab sieben Uhr im Büro, da wird man das von Beamten, zumal Kriminalbeamten, schon verlangen können.«
»Sie wissen, Herr Doktor Schott, am Montag ist Ihre Frau mit im Büro, wegen der Steuerangelegenheiten.«
Schott sah sie überrascht an. »Ach ja. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht, Marianne. Danke. Trotzdem, es bleibt bei acht Uhr und meine Frau kann an dem Gespräch ja teilnehmen, wenn sie möchte«, er lachte, »wann wird man schon mal von einer Beamtin des Landeskriminalamts befragt, nicht wahr?«
»Ist es denn eine ernste Angelegenheit?«, fragte Marianne vorsichtig.
Er beruhigte sie und fuhr mit der Hand sanft durch die Luft. »Nein, nein, Marianne. Der Sohn vom Siebl wieder einmal.«
Sie legte eine Hand vor den Mund. »Jesus, was hat er denn nun schon wieder angestellt … ist denn gar nie ein Ende.«
Schotts Miene wurde ernst. »Glauben Sie mir, Marianne, ich hätte mich nie darauf einlassen dürfen, niemals. Diese Situation zeigt wieder einmal deutlich, was dabei herauskommt, wenn man mit seinen eigenen Prinzipien bricht, nur um jemandem eine vermeintliche Hilfe zu sein. Ich bin von Siebl … also unserem Siebl … ich bin sehr enttäuscht, das muss ich Ihnen sagen. Aber nun gut …« Eine elegante Handbewegung und ein Schritt mit freundlichem Lächeln auf sie zu, machten deutlich, dass er nun genug hatte – von seiner Sekretärin, ihren Fragen, ihrer Besorgnis, ihrer Anwesenheit.
Marianne ging leise hinaus und schloss die Tür. Er trat ans Fenster und blickte in den Park. Dahinter war die Stadt, und darin diese vielen unbedeutenden Menschen, die keine Kenntnis nahmen von den Dingen, wie sie wirklich waren. Wie konnte man nur so dahinleben, ohne Bedeutung, ohne etwas Herausragendes zu schaffen?
Verlassen
Es war ihr Zuhause geworden – der lange Tunnel, die Schächte, das Dunkel und Düstere des Labyrinths. Sie kannte nun den größten Teil der Fallen. In jeder Situation wusste sie einen Weg, um zu entkommen, und sie bewegte sich mit großer Routine durch die Segmente und Stockwerke, bis hinauf auf die freiliegende Decke, knapp unter dem Dach, wo es einen Hauch von Freiheit zu spüren gab.
Sie beruhigte ihren Atem, denn gerade war sie durch den zentralen Tunnel gespurtet, von Deckung zu Deckung; geduckt, immer schussbereit, die Armbrust nach vorne gehalten. Im Vorbeilaufen hatte sie ihn in einer geöffneten Luke gesehen. Er hatte noch nicht mit ihr gerechnet, sie erschrocken, ja entsetzt angesehen und panisch die Luke zugeschlagen, als sich ihr Blick kreuzte, worin er ihren Willen zu töten erkannte. Für ihn war es gerade noch gut gegangen. Eine Sekunde langsamer und sie hätte ihm den Bolzen ins Gehirn geschossen. In ihren Gedanken hatte sie es vor sich gesehen, das Geräusch gehört, wie der Bolzen den Schädel durchschlug, und ihn wegsinken sehen. Glück gehabt.
In seinen Augen flackerte die gleiche Angst wie schon gestern, als er sie im Tunnel auflauern wollte und sie ihn dabei fast mit der Armbrust erwischt hatte. Sie war eine rechte Scharfschützin geworden; ihr Bolzen hatte ihn gestriffen und sofort hatte sie nachgeladen und war losgerannt. Gerade noch war er durch eine der Seitenluken entkommen und sie hatte aus kurzer Distanz auf das Lochblech gefeuert, das über dem Holz lag. Ein trockenes Knallen und Knirschen war zu hören gewesen, als das Stahlprojektil das Blech durchschlug und stecken blieb. Es war knapp für ihn gewesen und sie hatte lange dagestanden und seine Angst durch die Wand riechen können. Die reelle Möglichkeit ihn töten zu können, diese erlebte Chance, dies ließ sie weniger Angst empfinden und viel mehr Mut. Es veränderte die Situation.
Heute war sie sich sicher, nicht alleine mit ihm zu sein. Im Vorraum zum Pendel hatte sie etwas gehört: Schritte. Es waren Schritte. Ganz leise. Die Geräusche kamen von oben. Jemand anders als er hatte auf der oberen Ebene die Holzdecke gequert; kurze, schnelle Schritte. Eine leichte, kleine Person musste es gewesen sein, die versucht hatte möglichst wenig Geräusch zu verursachen. Sie musste sich also vorsehen.
Seit gestern war auch das Schutzblech vom Pendel entfernt und die blanke Schneide sauste durch die Luft. Und fürchterlicher noch – das Ding pendelte nun in unterschiedlichen Höhen. Der bisherige Modus
Weitere Kostenlose Bücher