Marienplatz de Compostela (German Edition)
schließlich den MVV und die MVG . Er würde schon heimkommen.
*
Buntzl war lange Zeit im Büro auf und ab gegangen. Der Gnotze hatte er schon am Vormittag einige sinnlose Aufträge gegeben, nur um Ruhe vor ihr zu haben. Der Rothaarigen im Sekretariat hatte er gesagt, er wolle nur wichtige Telefonate durchgestellt bekommen, und in dem Augenblick, als er es sagte, hatte ihn ein Gefühl der Bedeutung, ein Gefühl von Wichtigkeit durchdrungen. Eine Art schwerer Wärme. Das Gefühl Macht zu haben kribbelte ihn.
Es gab keine offizielle Regelung in der Firma, aber da Siebl krank war, musste jemand seine Vertretung übernehmen und er sah sich in dieser Rolle. War Siebl wirklich noch nie krank gewesen? Oder war er immer nur dann krank, wenn er, Buntzl, im Urlaub gewesen war oder frei hatte? Das war kaum vorstellbar.
Den Bürotisch hatte er gegen den Uhrzeigersinn umrundet, dann wieder den Weg der Zeiger genommen. Auch der sinnende Blick aus dem Fenster, über die Gleise hinweg auf die Containerhallen und das Grün, das zwischen den Blechkisten aufbrandete, hatte ihn nicht weitergebracht. Endlich griff er zum Telefonhörer und drückte entschieden auf eine Taste. Es wurde sofort abgenommen. Buntzl erstarrte und legte die rechte Handfläche auf die Schreibtischplatte, was ihn auch innerlich stützte. Er meldete sich stolpernd, unsicher, begann umständlich zu reden. »Ja, grüße Sie, Herr Doktor … ja, Buntzl hier, richtig … es ist wegen, weil doch Herr Siebl erkrankt ist … ja, seit gestern schon, und …«
Sein Gegenüber ließ ihn nicht ausreden, stellte immer wieder Fragen: knapp, herrisch, fordernd und mit hörbarer Ungeduld. Endlich traute sich Buntzl. »Nein, Herr Doktor Schott, es sind nicht Fragen der Vertretung, weswegen ich bei Ihnen anrufe. Ich sehe ernste Probleme heraufziehen, über die ich Sie informieren möchte.« Buntzl unterbrach, um bedeutungsschwanger zu sagen: »Wir hatten die Polizei im Haus.«
»Darüber bin ich bereits informiert.« Schott klang ungeduldig und brachte Buntzl vorübergehend wieder ins Straucheln, denn der hatte eine eher überraschte Reaktion erwartet.
»Ja … schon … nur könnte sich das sehr nachteilig entwickeln, denn wie Sie vielleicht auch wissen, geht es um das Verschwinden von Anne Blohm und die Polizei ermittelt inzwischen gegen Tobias Siebl. Über die Vorgänge die Angelegenheit Tobias Siebl betreffend sind Sie ja informiert.«
Es entstand eine Pause. Buntzl spürte den Schweiß auf der Stirn. Doktor Schott kam nun also doch ins Grübeln. Er fragte schließlich: »Woher haben Sie diese Information, Buntzl?«
Buntzl schob die Verärgerung beiseite, die die Art und Weise ausgelöst hatte, wie Schott ihn ansprach. Dieses abschätzige »Buntzl«. Er zwang sich zu einer sachlichen Stimme: »Die Polizei hat nachgefragt«, log er, »die sind vom Landeskriminalamt und sehr aufdringlich, wie ich befürchte.«
Schott klang indigniert. »Und Sie meinen nun, mein lieber Buntzl, der krankheitsbedingte Ausfall von Herrn Siebl steht damit in Zusammenhang?«
»Nein, nein … überhaupt nicht«, eilte sich Buntzl das gefährliche Terrain zu verlassen, auf das er geraten war. »Es ist nur so, ich war der Meinung, Sie sollten über die Konstellation informiert sein, Herr Doktor Schott, denn …«
»Jaja, ist ja gut, Buntzl. Das haben Sie ja nun getan und ich danke Ihnen dafür. Melden Sie sich wieder, sobald es Neuigkeiten gibt, ja!«
Doktor Schott legte auf.
Buntzl wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete langsam aus, sodass er es hören konnte. Jetzt musste er das Eisen schmieden, jetzt hatte ihm das Schicksal die Chance vor die Füße gelegt Siebl zu erledigen. Doktor Schott würde ihn noch brauchen, da war er sich sicher. Er wurde nun ruhiger und begann von Neuem seine Runden um den Schreibtisch zu drehen. Die Anspannung wich und machte einem Gefühl der Zufriedenheit Platz.
Er telefonierte mit der Rothaarigen. Sie sollte Frau Gnotze mitteilen, dass er sie in einer halben Stunde zur Besprechung erwartete.
Er legte den Telefonhörer auf und war stolz. Zwei, drei Atemzüge später war er ruhiger.
So machte man das.
*
Schott hatte nach dem Gespräch noch einige Sekunden auf den Hörer gesehen und sich dann wieder dem Gast zugewendet, der ihm im schwarzen Ledersessel gegenübersaß und einen jämmerlichen Eindruck in den stolzen Raum trug.
Es war Siebl.
»Das war dein geschätzter Mitarbeiter, dieser Buntzl, der mich über die Zielrichtung der
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