Marienplatz de Compostela (German Edition)
Sie verstehen?«
Bucher signalisierte, dass er verstanden hatte. »Und hier in München … wohnt Ihre Tochter hier?«
»Nein. Sie hatte eine Wohnung drüben, in Haidhausen, am Weißenburger Platz, die sie für ein Jahr an einen Professor aus Kanada untervermietet hat: Er forscht für ein Jahr an der Uni … ich weiß nicht was genau.«
Bucher holte sein Notizbuch hervor und wendete sich Frau Blohm zu. »Sie sprachen von einem Sabbatjahr, Frau Blohm. Wo war Ihre Tochter beschäftigt?«
»In der Leitung einer wohltätigen Einrichtung.« Sie nannte ihm Adresse und Ansprechpartner und fügte leise hinzu: »Sie war da erst ein gutes Jahr. Zuvor hat sie in einer Münchner Privatbank gearbeitet und hätte da eine gute Karriere machen können, aber … sie wollte etwas für Menschen tun, direkter für und mit Menschen wollte sie arbeiten. Aus diesem Grund hat sie gewechselt.« Es klang entschuldigend, wie sie es sagte.
»Hat sie früher schon einmal eine größere Reise gemacht, oder eine Auszeit genommen, oder ist das jetzt das erste Mal?«
Frau Blohm schien irritiert und antwortete zögernd, so als sänne sie währenddessen weiter über den Sinn der Frage nach. »Nein. So etwas hat sie vorher noch nie gemacht. Urlaub eben … irgendwie ganz normal halt …« Ihr Blick suchte den ihres Mannes.
Bucher fragte nach: »Was hat sie denn bewogen auf diese Pilgerreise zu gehen? Sie hatte ja erst eine neue Arbeitsstelle angetreten … ein Jahr … hat es ihr dort nicht gefallen, gab es Schwierigkeiten?«
»Nein, Schwierigkeiten gab es nicht«, schloss Frau Blohm diesen Gedanken sofort aus, »… ja, was hat sie bewogen, diese Reise anzutreten?« Frau Blohm schien dafür keine Antwort zu haben.
Bucher wurde konkreter: »War sie besonders religiös, hat sie sich in letzter Zeit vielleicht in ihrem Verhalten verändert, gehörte sie einer bestimmten Kirchengemeinde an … einer besonderen religiösen Gruppe vielleicht?«
»Sie meinen, sie wäre in einer Sekte gewesen?«
»Das meine ich nicht, Frau Blohm. Viele gehen nach dem Abitur für eine Weile ins Ausland … ein Auslandssemester, oder Ähnliches. Ist ja ein guter Zeitpunkt in den Phasen zwischen Schule und Studium oder Berufsausbildung. Es muss doch einen Grund geben, wenn ihre Tochter jetzt, da sie schon fest ins Berufsleben integriert ist, für ein Jahr auf Pilgerreise geht. Ich finde das schon außergewöhnlich und frage mich nach dem Beweggrund dafür.«
Herr Blohm antwortete: »Sie war für ein Jahr in den Staaten, das war noch in der Schule, elfte Klasse damals. Ist schon lange her. Und während des Studiums hat sie … zwei Semester waren das, glaube ich … in Montpellier studiert. Sie war immer gerne im Ausland und hatte auch sprachlich keine Probleme, aber … was sie letztlich zu dieser Pilgerfahrt bewogen hat … ich muss gestehen, ich weiß es nicht. Im Grunde stellen wir uns dieselben Fragen wie Sie.«
Seine Frau stimmte müde zu. »Ja, so ist es. Ich weiß das auch nicht. Im Grunde genommen haben wir das auch nie hinterfragt, verstehen Sie? Und was das Religiöse angeht … nein, das nicht … wir sind ganz normal in unserer Kirchengemeinde hier … die Kinder haben wir evangelisch erzogen … mein Mann ist katholisch. Anne ist aber sicher ein religiöser Mensch, durchaus. Auch ihre Entscheidung, also in den sozialen Bereich zu gehen, hat bestimmt damit zu tun. Sie ist sehr engagiert … für Menschen, für Tiere … ein sehr empathischer Mensch.«
»Die Organisation einer solchen langen Pilgertour erfordert doch einigen Aufwand. Hatte Ihre Tochter in dieser Hinsicht Beratung, gab es vielleicht eine Gruppe von Gleichgesinnten … wie hat sie das organisiert?«
Das Ehepaar Blohm sah sich fragend an. Er antwortete zögernd: »Soweit ich weiß, hat sie alles, was sie brauchte, aus Büchern und aus dem Internet herausgezogen. Von einer Gruppe oder anderen Leuten, mit denen sie sich da ausgetauscht hätte, ist mir nichts bekannt.« Seine Frau signalisierte Zustimmung.
Bucher berührte ein heikles Thema. »Hat der Tod des Bruders eine Rolle gespielt?«
Herr Blohm vollzog eine langsame Bewegung mit dem Kopf, die ausdrückte, dass Buchers Vermutung wahrscheinlich sein konnte. Mehr aber nicht.
Seiner Frau war der Schmerz darüber anzusehen. Der Oberkörper sank leicht nach vorne, die Schultern zogen nach innen. Die Hände lagen gefaltet auf der Tischplatte.
Lara Saiter übernahm, und stellte die unangenehme Frage, die Bucher auch auf
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