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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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manche Dinge von ihm fernzuhalten, was Zinkels Vermutung in Gewissheit wandelte: Etwas so Gravierendes wie einen Besuch der Polizei verheimlichte man nur, wenn man ernsthaft Angst verspürte.
    »Jenny hat Sie nicht verraten, natürlich nicht, Ihre Frau ebenso wenig. Tatsächlich hätten wir diese angebliche Meinungsverschiedenheit nie in Frage gestellt, wenn Jenny nicht neben dem blauen Auge noch diverse blaue Flecken auf dem Rücken hätte, die ich zufällig gesehen habe.«
    »Hat sie das? Davon weiß ich nichts.«
    »Aber Sie haben bestimmt eine schöne Erklärung dafür, nicht?«
    »Vielleicht ist sie hingefallen.« Degener gab sich nachdenklich. »Die Kellertreppe hat ziemlich kurze Stufen und ist recht gefährlich.«
    »Und so etwas hätte sie Ihnen nicht erzählt?«, wunderte Zinkel sich. »Spricht nicht für ein vertrauensvolles Vater-Tochter-Verhältnis, meiner Meinung nach.«
    »Mein Verhältnis zu meiner Tochter geht Sie absolut nichts an. Also bitte, wenn sonst nichts anliegt, dürfen Sie jetzt verschwinden.«
    Die Zündschnur wurde schon kürzer, fand Zinkel.
    »In Ordnung«, sagte Lübben gemütlich und stand auf, »wir werden die Sache ans Jugendamt weiterleiten, sollen die sich mit Ihnen rumärgern. Bestimmt ist man da ganz begeistert, es zur Abwechslung mal mit den sogenannten besseren Kreisen zu tun zu haben. Das wird der Kracher der Pausengespräche, und wer weiß, wer alles davon Wind bekommt. Guten Tag«, wünschte er und ging zur Tür.
    Nötigung, frohlockte Zinkel und folgte ihm. Er spürte förmlich, wie es hinter ihm brodelte, und zog vorsichtshalber den Kopf ein. Normalerweise legten sich solche Leute nicht mit Stärkeren an, aber man konnte nie wissen, wie jemand reagierte, wenn er in die Enge getrieben wurde. Und für Degener wurde es gerade ziemlich eng, er hatte viel zu verlieren.
    Lübben war schon über die Schwelle. Mist, fluchte Zinkel innerlich und hoffte, dass das Jugendamt tatsächlich einschreiten würde. Es hatte schon zu viele Negativ-Schlagzeilen gegeben, als dass er sich dessen gewiss war.
    »Warten Sie«, kam es von hinten, mehr Befehl denn Bitte, aber immerhin.
    »Ja?«, fragte Lübben und schloss die Tür wieder.
    Degener holte tief Luft. »Sie macht mich rasend.« Er öffnete die Hände in aller Unschuld.
    »Teenager«, sagte Lübben. »Trotzdem fehlt Ihnen einiges an Selbstkontrolle.«
    »Ach was«, behauptete Degener, »neun von zehn Malen geht’s gut, und dann kommt dieser eine Moment, wo mir die Sicherungen durchbrennen und ich ihr doch eine Ohrfeige verpasse. Ohne dass ich das will, es passiert einfach, und es tut mir hinterher auch wahnsinnig leid, aber gelegentlich kommt es eben vor. Das macht mich nicht zu einem Monster, ein Klaps hier und da hat schließlich noch niemandem geschadet, aber ich verspreche, es kommt nicht wieder vor, Ehrenwort.«
    Zinkel grunzte abfällig. »Das können Sie sich sparen«, warf er ein, »in Ihrem Beruf ist etwas wie Ehre nicht existent, meiner ganz persönlichen Meinung nach, aber wir reden auch nicht von einem gelegentlichen Klaps, also tun Sie gefälligst nicht so unschuldig. Außerdem ist Ihre Tochter dabei, sich zu Tode zu hungern, ist Ihnen das entgangen?«
    Lübben legte ihm Einhalt gebietend die Hand auf die Schulter, zog eine Visitenkarte aus seiner Jacke und reichte sie Degener.
    »Eine Psychotherapeutin?« Degener schaute entrüstet auf die Karte und verzog vor Abscheu das Gesicht. »Was soll ich denn damit?«
    »Frau Amelung macht Anti-Gewalttraining. Sie werden sie heute noch anrufen, sich bei ihr vorstellen, Termine vereinbaren und sie einhalten. Ihre Tochter ebenfalls, Frau Amelung behandelt nämlich auch Essstörungen. Sollten Sie oder Jenny auch nur einen Termin versäumen, ist Schluss mit nicht so lustig. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    Heide Amelung und Degener, das barg Potenzial, fand Zinkel. Er konnte sich gut an die Therapeutin mit ihrem Hang zu farbenfrohen Gewändern und ihrem feinen Sinn für Humor erinnern. Sie warteten Degeners Einverständnis nicht ab, sondern wandten sich grußlos zum Gehen.
    »Kleine-Männer-Syndrom«, murmelte Lübben verächtlich, als sie wieder draußen waren. »Ich bin gespannt.«
    Zinkel hüpfte haarscharf einem Radfahrer aus dem Weg. »Mann«, schimpfte er, »das ist hier ja noch schlimmer als in Leer.« Trotz des trübseligen Wetters herrschte in der Oldenburger Innenstadt ein für ihn mittlerweile ungewohntes Gewusel.
    »Studentenstadt.« Lübben zuckte mit den

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