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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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nicht fassen, dass jemand so Weltgewandtes wie Kelling sich für sie interessierte.
    Marilene wich noch weiter nach links und pirschte sich im Rücken von Kelling näher heran, so unauffällig wie möglich, bis sie das Ende der Theke erreichte. Sie holte das Smartphone hervor, das Hanna ihr geliehen hatte, um das Trio zu fotografieren. Breitbach würde schnell genug einknicken, wenn sie drohte, seiner Frau die Aufnahmen zu zeigen. Sie winkte aufs Geratewohl in die Ferne, als nehme sie Freunde auf, und schoss drauflos. Die Mühe hätte sie sich sparen können, kein Mensch achtete auf sie. Zu alt. Manchmal barg das Vorteile.
    Das Mädchen war wirklich zu jung, augenscheinlich dämmerte ihr das auch gerade, denn sie machte Anstalten, vom Hocker zu rutschen und Richtung Tanzfläche zu streben. Kelling hielt sie auf, mit einer Bewegung seiner rechten Hand und einem Scherz, den sie halbwegs komisch zu finden schien. Mit seiner linken Hand allerdings schob er ihr Glas in Richtung Breitbach. Marilene knipste weiter, hielt nun auf Breitbach, der irgendetwas zwischen seinen Händen verbarg, dann stand Kelling auf und zog das Mädchen an sich, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Sie errötete, er lachte und reichte ihr das Glas. Sie trank, bevor sie sich von ihm auf die Tanzfläche ziehen ließ.
    Marilene senkte das Smartphone, um die Aufnahmen zu studieren, schob die Finger auf dem Display auseinander und konnte ihr Glück kaum fassen: Die Vergrößerung zeigte eine helllila Spur von Breitbachs Händen direkt ins Glas des Mädchens. K.-o.-Tropfen, vermutete sie, die Farbe der Flüssigkeit ein zufälliger Lichtreflex. Sie nahm den Gedanken an Glück zurück. Was tun? Sie wusste nur zu gut, wie das Zeug wirkte, viel Zeit blieb ihr nicht.
    Rasch sandte sie die letzten beiden Aufnahmen an Gerrits Nummer, stopfte das Gerät in die Tasche und stürzte sich ins Getümmel, Tanzende zur Seite schiebend, eine Entschuldigung auf den Lippen, die niemand hören wollte.
    »Da bist du ja, Schwesterherz!«, rief, nein brüllte sie, als sie endlich Kelling und das Mädchen erreicht hatte, »ich such dich schon überall! Mama geht’s nicht gut, du musst sofort mitkommen.«
    Schwesterherz schaute ziemlich verständnislos drein und wirkte bereits leicht benommen, wohingegen Kelling ganz allmählich zurückwich, noch immer tänzelnd, wie um nur nicht aufzufallen. Marilene packte sie am Arm und zog sie hinter sich her Richtung Ausgang. Sie ließ es sich widerspruchslos gefallen, und auch sonst versuchte niemand, sie aufzuhalten.
    Sie erreichten den Türsteher, und Marilene zupfte ihn am Arm. Sein indignierter Blick sprach Bände.
    »Sorgen Sie dafür, dass sie ins Krankenhaus kommt«, befahl Marilene und schob ihm das Mädchen entgegen, sodass er gar nicht anders konnte, als sie aufzufangen. »Sie hat vermutlich eine Dosis K.-o.-Tropfen untergejubelt bekommen, also dalli.«
    Marilene spähte ihm sicherheitshalber über den Arm, während er einhändig ein Handy hervorzauberte, die 112 tippte und Meldung machte. Danach wandte er sich ihr zu, mit einer Spur weniger Herablassung als zuvor.
    »Haben Sie gesehen, wer das war?«, fragte er. »So was ist schlecht fürs Geschäft.«
    »Ja«, sagte sie, »und ich kann es sogar beweisen. Zwei Typen, Ende dreißig, rausgeputzt, ein Dicker, ein Schlanker, lassen Sie sie nicht abhauen«, bat sie, »ich muss mit denen noch eben was klären, danach wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sie der Polizei übergeben, die beiden machen so was nämlich öfter.«
    »Mit Vergnügen«, behauptete er und salutierte anerkennend.
    Marilene wandte sich um, holte tief Luft und wurde augenblicklich eingesogen in diesen zuckenden Kokon, in dem ein Gewitter zu toben schien, oder der Mob.
    »Pahdie!«, brüllte ein Lacklederner neben ihr euphorisch.
    Marilene zuckte zusammen. An Party hätte sie nicht im Mindesten gedacht, vielmehr kam ihr die Veranstaltung vor wie ein Antanzen gegen die Stille im Innern, gegen die Bedeutungslosigkeit, die Angst, unsichtbar zu sein, und wenn es nicht funktionierte, gab man sich die Kante, um die Sehnsucht danach zu ersäufen. Ein außer Kontrolle geratener Markt der Eitelkeit, je mehr Haut, desto mehr Beachtung, und zu viele Menschen auf zu engem Raum, als dass sie dem irgendetwas abgewinnen könnte.
    Breitbach saß noch immer mit dem Rücken zur Tanzfläche an der Theke, Kelling konnte sie nirgends entdecken. Egal, einer reichte, und dieser, vermutete sie, war leichter zu beeindrucken. Sie

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