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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Oberdeck, um nicht von den Füßen gerissen oder gleich über Bord gefegt zu werden.
    Plötzlich erstarb das Brummen der Motoren. Der Sturm, nunmehr auf sich allein gestellt, jaulte und pfiff, was die Elemente hergaben, im Bemühen um Ausgleich, ein Chor, dem die Bässe abhandengekommen waren. Die Wellen schlugen höher, glitzernde Schaumkronen auf dem Kamm, im Licht trügerisch harmlos wirkend, wie Milchschaumbärtchen um den Mund vielleicht, dabei handelte es sich in Wirklichkeit um einen Ausdruck reiner Wut, mutmaßte er. Zum Fürchten. Er stürzte zurück in die Kabine.
    »Der Kapitän hat die Motoren aus Sicherheitsgründen ausgeschaltet«, informierte Charlie ihn, »wir hängen vorläufig fest.«
    Keine schlechte Sache, wenn es denn so wäre, dachte Zinkel und stellte sich eine Art göttlichen Angelhaken vor, besser als Untergehen war es allemal.
    »Probleme? Brauchst du was gegen Übelkeit?«
    Charlies Augen tanzten ungefähr so lebhaft wie das Boot unter seinen Füßen. Achterbahngestählt, nahm er an. Er schüttelte den Kopf. Übel war ihm nicht, jedenfalls nicht vom Seegang. Das Gefühl, dass die Zeit drängte, wurde immer stärker, und die erzwungene Untätigkeit machte ihn rasend. Zu viel Zeit zum Denken schuf immer auch zu viel Raum für Ängste, und die wuchsen gerade ins Unbeherrschbare.
    * * *
    Musik spielte, als sie das Wohnzimmer betrat, unsicher auf den hohen Absätzen, irgendwas Altes. Sie kannte das Stück nicht, mochte es auch nicht, und beinah wünschte sie sich doch noch einen Stromausfall. Nein, sie nahm den Gedanken zurück, besser nicht, es war fast komplett dunkel geworden, im Dunkeln ist gut munkeln, fiel ihr einer von Uris Sprüchen ein, sie hatte nie begriffen, was Munkeln war, aber sicher nichts Gutes, sie wollte es nicht, da nahm sie lieber die Musik in Kauf, wenigstens nicht Mamas Lied, das könnte sie jetzt gar nicht aushalten.
    Frank schaute nicht auf. Er saß im Sessel, trank Tee und schaute zum Fenster hinaus, als könnte man noch groß was sehen. Sie setzte sich in den zweiten Sessel, goss auch sich eine Tasse ein und trank in kleinen Schlucken. Die Wärme von innen tat gut, und nach einer Weile legte sich das kaum merkliche Zittern ihrer Hände.
    Sie beschloss, es vollkommen normal zu finden, hier in Abendkleidung allein mit dem Mann ihrer Mutter herumzusitzen und schweigend dieser altmodischen Musik zu lauschen. Riders on the Storm. Na, das passte ja. Die Aufnahmen schnarrten, als handelte es sich um zerkratzte Schallplatten, aber es war der CD -Player, der lief. Frank musste die CD gebrannt haben, die Stücke waren von verschiedenen Gruppen, die sich bestimmt nicht zu einer Session zusammengetan hatten. Welche Bedeutung besaßen sie für ihn? Sie traute sich nicht zu fragen. Sie traute sich überhaupt nicht zu sprechen. Und vielleicht war es auch besser, nichts zu wissen. Wieder mal.
    »Hast du einen Freund?«, fragte er plötzlich.
    Sie spürte, wie sie errötete, als Gerrit ihr in den Sinn kam. Der machte ihr weiche Knie. Frank schien es nicht zu bemerken. »Nein, weißt du doch«, sagte sie.
    »Ich wollte sicher sein«, sagte er, »deine Mutter war nicht so zurückhaltend, als sie in deinem Alter war.«
    Das Gespräch drohte, eine Wendung zu nehmen, der sie nicht folgen wollte. »Ihr kennt euch von früher? Komisch, hat Mama nie erzählt«, wunderte sie sich.
    »Sie weiß nichts davon. Damals hat sie mich nicht beachtet. Dass sie nicht mal meine Briefe gelesen hat, konnte ich nicht wissen.«
    »Aber jetzt hat sie dich beachtet, sonst hätte sie dich schließlich nicht geheiratet. Ist doch alles gut geworden«, log sie munter drauflos. Nichts war gut. Zu viele Geheimnisse. Und was, schoss es ihr durch den Kopf, wenn er den Namen seiner Frau angenommen hatte, eben damit ihre Mutter nichts merkte? Warum sollte er sie so sehr hinters Licht geführt haben?, überlegte sie. Wollte er sich an ihr rächen, weil sie ihn ignoriert hatte? Nach so langer Zeit? Irgendwie ergab das keinen Sinn.
    »Nichts ist gut«, sagte Frank, »am allerwenigsten deine Mutter. Ein Wunder, dass du dir deine Reinheit bewahrt hast. Bei dem schlechten Vorbild.«
    Bäh, das war eklig von ihm, so über ihre Mutter herzuziehen. Sie wollte das nicht hören. Erstens ging es sie nichts an, was früher war. Und zweitens war ihre Mutter ganz sicher kein schlechter Mensch, damals nicht und heute erst recht nicht. Wahrscheinlich hielt er sie auch noch für total dumm, und nicht mal das stimmte, denn nicht lesen zu

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