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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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nachdem sie sich zu blöd angestellt hatte, das iPhone zu bedienen. Sie hatte sich neben den Verletzten gekauert, seine Jacke geöffnet und die blutende Wunde entdeckt. Fragend hatte sie zu Olaf aufgeblickt, doch der war verschwunden.
    Wieder hatte sie sich über den Mann gebeugt, das leere Pistolenholster entdeckt und die Polizeimarke, die daran hing. Wenn ein Polizist auf dem Weg zu diesem Haus gewesen war, musste es einen Grund dafür geben, und der Grund war vermutlich Antonia. Sie war hin- und hergerissen gewesen: Sie konnte den Mann doch nicht einfach dort liegen lassen, aber ebenso wenig schaffte sie es, Antonia ihrem Schicksal zu überlassen. Wenn Herzog hierfür verantwortlich war, dann war Antonia in höchster Gefahr, und zu zweit war die Chance ungleich größer, ihn zu überwältigen.
    Sie hatte in ihrem Rucksack gekramt und das T-Shirt hervorgezerrt, das sie für alle Fälle eingesteckt hatte. Zähneknirschend hatte sie dem Mann Hemd und Unterhemd hochgezogen, scheußlicher Anblick, sie hatte sich mächtig zusammennehmen müssen, bis sie es geschafft hatte, das Shirt auf die Wunde zu pressen und die Kleidung wieder drüberzuziehen, um den behelfsmäßigen Verband einigermaßen zu fixieren. Schließlich hatte sie die Jacke des Mannes wieder geschlossen, damit er nicht restlos durchweichte. Den Sand zu beiden Seiten von ihm hatte sie zu einem halbwegs schützenden Wall zusammengescharrt, bevor sie davongeeilt war, in die Richtung, wo sie das Haus und Olaf vermutete.
    Aufs Haus war sie zuerst gestoßen. Offene Fensterläden und ein indirekter Lichtschimmer, dessen Quelle vermutlich in einem der hinteren Räume lag, hatten verraten, dass es bewohnt war. Sie hatte sich seitlich in einem großen Bogen daran vorbeigekämpft, die Dünen hoch- und runterstolpernd und -rutschend, hatte nicht nur einmal an der eingeschlagenen Richtung gezweifelt – es war bereits zu dunkel, um sich auch nur annähernd zu orientieren –, doch dann, als sie schon nicht mehr damit gerechnet hatte, war sie fast über Olaf gestolpert.
    Seither lag sie hier neben ihm, verdreckt, klatschnass bis auf die Haut und erbärmlich frierend. Wenn sie eine Erfahrung in ihrem Leben nicht vermisste, dann war es die des Wehrdienstes. Genauso stellte sie sich Soldaten im Manöver vor, und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Olaf im Gegensatz zu ihr das Erlebnis genoss. Männer konnten schon arg kindisch sein, und sie wusste nicht sicher, ob sie das nun albern oder anziehend fand, nein, doch eher albern, entschied sie, obgleich sie seine Gesellschaft eigentlich sogar recht angenehm fand. Er war längst nicht so aufdringlich, wie sie zunächst angenommen hatte, und sein Humor lag ihr. Alles in allem ganz nett, befand sie, wenn auch nicht mehr, das würde sie ihm schon klarmachen, sollte er im Sinn haben, die alte Geschichte aufzuwärmen. Freundschaft war möglich, sonst nichts. Punkt.
    Sie schüttelte die Gedanken ab. War sie bescheuert? Als wenn sie keine drängenderen Probleme hätte. Bedenklich. Sie lenkte ihren Blick wieder auf das Haus und zwang sich zur Konzentration.
    Regenschwaden flimmerten vor den Augen wie Schnee auf dem Bildschirm eines alten Röhrenfernsehers, und obgleich das Wohnzimmer erleuchtet war, konnte man von dem, was sich dort abspielte, nur einen verschwommenen Eindruck gewinnen. Olaf hatte berichtet, dass die beiden friedlich Tee getrunken und sich unterhalten hätten, bis Antonia plötzlich aufgesprungen sei und Herzog auf die Brust getrommelt habe. Herzog hatte Antonia in die Arme genommen, und seither standen sie umschlungen und reglos am selben Fleck. Merkwürdig, aber keineswegs bedrohlich.
    Läge nicht der verletzte Polizist vorn, würde sie darauf bestehen, einfach zu klingeln. So aber fürchtete sie, Herzog würde komplett durchdrehen, und da er offensichtlich die Waffe des Beamten an sich genommen hatte, war die Frage nicht, wen er noch erschießen würde, sondern wen zuerst. Allmählich brauchten sie einen Plan. Sie konnten nicht ewig ausharren, auf die Gefahr hin, sich eine Lungenentzündung zuzuziehen, und von selbst würde sich an der Situation nichts ändern.
    Welche Situation eigentlich?, schreckte sie vor blindem Aktionismus zurück. War Antonia tatsächlich gegen ihren Willen hier? Im Augenblick zumindest sah es nicht danach aus, eher im Gegenteil, die beiden wirkten vertraut, beinah innig. Aber Antonia mochte Herzog nicht, rief sie sich in Erinnerung. Konnte sich das in den paar Tagen geändert

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