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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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kniete sich auf ein Bein und kramte darin herum, bis er schließlich ein Taschentuch hervorzog und sich die Nase putzte, ihn dabei die ganze Zeit nicht aus den Augen lassend.
    »Schönes Haus«, sagte Rosenboom, etwas Besseres wollte ihm partout nicht einfallen. Kam es ihm nur so vor, oder änderte sich wirklich etwas im Ausdruck des Mannes, verfinsterte sich? Oje, er hatte es verpatzt, er hätte zunächst sein Bedauern bekunden müssen, erkannte er, wieder zu spät. Er hielt den Atem an. Wäre der Typ harmlos und allein, würde er ihn auf eine Tasse Tee einladen. Wenn nicht … Er hatte keine Ahnung, was dann.
    »Stimmt«, sagte der Mann, noch immer am Rucksack nestelnd, »wollen Sie mal gucken? Tässchen Tee vielleicht?«
    Rosenboom stieß erleichtert den Atem aus. »Gern«, sagte er, »gibt nichts Besseres bei dem Wetter.«
    »Außer Tee mit Schuss.« Der Mann grinste breit.
    »Noch besser«, stimmte Rosenboom zu, sich im Geiste auf die Schulter klopfend, war doch gar nicht schlecht gelaufen, dachte er.
    »Nur zu.« Der Mann scheuchte ihn mit einer Geste der linken Hand voran, während er sich umständlich hochrappelte. »Machen wir, dass wir aus dem Sauwetter rauskommen.«
    »Ja, da kommt noch ziemlich was auf uns zu«, sagte Rosenboom und stapfte wieder los.
    »Auf Sie schon«, sagte der Mann.
    »Hä?«, fragte Rosenboom und schaut sich um. Er reißt den Mund auf, die Arme hoch, kein Schrei, kein Schutz, verdammter Idiot, verdammter, sieht das hämische Gesicht und wie der Finger sich am Abzug krümmt, Lisbeth, denkt er, du wirst warten müssen, lange warten, ewig, er schließt die Augen, fest, ganz fest, bitte, fleht er, hofft noch und wartet dennoch auf den Knall, den Schuss, auf das, was nicht sein kann, nicht darf, kein Knall, nur der Wind, der Sturm und ein gewaltiger Druck, dem er nichts entgegenzusetzen hat, nicht so schlimm, die Faust im Magen, und er krümmt sich, dann erst kommt der Schmerz, der richtige Schmerz, der jede Faser seines Seins erfasst, rasend unerträglich, Lisbeth, er wankt und kippt vornüber, ist das ein Lachen, das er hört?, der Wind?, das Letzte?
    * * *
    Antonia stand am Wohnzimmerfenster und schaute hinaus. Ihr eigener Garten war schöner, fand sie, lebendiger. Hier krümmten sich ein paar halb tote Büsche im Wind, braun gefleckter Rasen, und das war’s. Das Haus war von Dünen umgeben, die den Blick versperrten. Eng, es war zu eng hier. Wieder erwog sie, ein Fenster einzuschlagen und wegzulaufen. Wohin? Sie hatte keine Ahnung, wie nah das nächste Haus sein mochte, in welche Richtung sie sich wenden müsste.
    Wieder traute sie sich nicht, tat den Fluchtimpuls als albern ab. Ohnehin machte ihr das Wetter fast mehr Angst als der Gedanke, Frank zu verärgern. Da draußen braute sich ein mächtiger Sturm zusammen. Er rüttelte schon am Haus, das, stellte sie sich vor, mit den Zähnen klapperte. Dauernd krachte und schepperte es irgendwo, und sie hoffte, dass das Haus nicht zusammenbrach. Dunkle Wolken rasten über den Himmel, so tief, dass man meinen könnte, sie blieben an den Dünen hängen. Oder am Dach. Sehr unheimlich.
    Sie drehte sich wieder um. Nein, das ging gar nicht. Besser nicht den Rücken zudrehen. Besser wissen, was passierte. Sie wollte nach Hause. Auch wenn Mama nicht da war. Sie wollte zu Kathrin. Keine Kathrin. Nie mehr. Heulsuse, schimpfte sie innerlich und wischte die Tränen fort. Wenigstens zur Beerdigung wollte sie. Sich anständig verabschieden. Und Mama besuchen. Im Gefängnis. Nicht zu glauben. Würde je wieder alles normal werden?
    Wieder ein Knall. Sie zuckte zusammen. Das hatte sich anders angehört, passte irgendwie nicht in die Geräuschkulisse des Unwetters. Sie lauschte angestrengt, wartete auf eine Wiederholung. Nichts. Sie ging in die Küche, schaute dort aus dem Fenster. Dieselben langweiligen Dünen wie nach hinten raus. Sonst nichts. Doch, sie hielt inne, etwas Schwarzes ragte über den Rand einer Düne hinaus, etwas, das größer wurde. Sich als Mensch entpuppte. Er kam näher. Frank. Okay, dachte sie, besser Frank als überhaupt niemand. Diesen einen Abend noch. Und morgen nach Hause, davon würde sie ihn überzeugen.
    Sie ging ihm entgegen. Er stand in der Tür und schüttelte sich. »Hey«, sagte sie, »was war das für ein Knall eben? Hast du das auch gehört?«
    »Nein«, sagte er, »wird der Wind gewesen sein.« Er musste sich gegen die Tür stemmen, um sie zuzukriegen.
    »Meinst du? Das hat sich echt komisch angehört.«
    »Da war

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