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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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unseligen Fotos beruhten. Die Aufnahmen so hinzubekommen, dass die männlichen Beteiligten anonym blieben, war sicher eine knifflige Angelegenheit gewesen, wohingegen heutzutage ein PC ausreichte, um beliebige Gerüchte mit Bildmaterial zu unterfüttern.
    »Dann sind die Fotos gekommen«, fuhr sie fort, »sie wollten mich damit erpressen, aber meine Mutter hat den Brief aufgemacht, nicht ich, und sie hat mir nicht geglaubt, dass das nicht freiwillig war, und mich weggeschickt, und dann hab ich gemerkt, dass ich schwanger bin.« Ein strahlendes Lächeln stahl sich ihr ins Gesicht. »Ich weiß also nicht, wer von den beiden dein Vater ist, und ich will es auch nicht wissen, du bist mein Kind, fertig, aus.«
    Starke Gene, dachte Zinkel, die Familienähnlichkeit der dominierende Faktor, der andere Anlagen komplett auszuschalten schien. Gut für Antonia.
    »Jedenfalls sehen die beiden einer Anklage entgegen«, erläuterte Marilene, »und wir können uns an das Verfahren dranhängen, verjährt ist die Sache noch nicht.«
    Mutter und Tochter schüttelten einhellig den Kopf.
    »Nein«, sagte Lilian mit Bestimmtheit, »ich will nicht, dass sie womöglich von Antonia erfahren, das könnte ich nicht ertragen.«
    »Schon gut, Mama«, beschwichtigte Antonia, »für mich war Christian mein Vater, das ist okay. Können wir jetzt mal nach Hause fahren, damit ich wenigstens meinen Onkel kennenlernen kann?«
    Antonia leitete die Abschiedsbekundungen ein, fiel Marilene und, zu Zinkels Überraschung, auch ihm um den Hals. Sicherlich nicht das letzte Zusammentreffen, nahm er an, Marilene neigte ohnehin dazu, alles zu adoptieren, was unter achtzehn war, und er selbst würde noch genügend offene Fragen klären müssen. »Eins noch«, sagte er, sich plötzlich erinnernd, »Jenny hat dich besuchen wollen, als du angeblich in der Psychiatrie warst. Vielleicht rufst du sie mal an? Es geht ihr nicht besonders gut, auch wenn sie das wahrscheinlich abstreitet.«
    Antonia zögerte, doch schließlich nickte sie. »Geht in Ordnung«, sagte sie, ein halb spöttisches Zucken um die Mundwinkel.
    Durchschaut, dachte Zinkel, sein Appell an ihre Großherzigkeit. Ihre Reaktion jedoch gab ihm Anlass zur Hoffnung, dass die Jugend nicht so schlecht war wie ihr Ruf. Gut gelaunt führte er Marilene zu seinem Wagen, und sie machten sich auf den Heimweg.
    Kurz vor Wittmund schlief sie bereits, wie ein etwas lauteres Atmen verriet. Ansteckend, er gähnte und musste sich zusammennehmen, um nicht ebenfalls wegzudösen. Das Bonbon fiel ihm ein, er holte es aus der Tasche, wickelte es aus und steckte es sich in den Mund. Half auch nichts, er brauchte kühle Luft und öffnete das Seitenfenster einen kleinen Spalt.
    * * *
    Der Wind nimmt wieder zu, und das Schlingern des Bootes ebenfalls, fast schlimmer als zuvor, glaubt sie, und sie will jetzt endlich hier runter. Ihr wird schwindelig und schlecht, ziemlich schlecht. Kein Land in Sicht. In welche Richtung sie sich auch wendet, nur Wasser, Wind und Wellen. Unmöglich, die Überfahrt soll doch gar nicht so lange dauern, wieso sieht sie kein Land? Panik erfasst sie, bringt ihr Herz aus dem Takt, ihr Hirn aus dem Gleichgewicht, wieder und wieder dreht sie sich um die eigene Achse, kein Land, schließt und öffnet in einem fort die Augen, gewiss, nur einer Täuschung zu erliegen, einem Wahn, und wieso ist sie allein hier?, die Motoren dröhnen, da muss doch wenigstens ein Kapitän sein, ein Fährmann, der sie ans Ufer bringt, welches Ufer? Sie zerrt ihr Handy hervor, doch welchen Knopf sie auch drückt, das Display bleibt schwarz. Nutzlos, sie wirft es ins Meer. Noch bevor es auf den Wellen aufschlägt, sieht sie, wie das Display plötzlich aufleuchtet, die 112 in riesigen Ziffern. Zu spät. Auf einmal hat sie Leuchtraketen in Händen, Silvesterböller, mehr Krach denn Signal, weiß sie im Voraus, dennoch wirft sie sie in die Höhe, zündet und wirft, immer wieder, doch nicht hoch genug, jede einzelne erlischt zischend im Meer, das sich allmählich rot färbt. Wo kommt all das Blut her, ein Meer von Blut, Fehler, großer Fehler erkennt sie, zu spät, die Haie werden kommen, das Boot umkreisen und warten, warten auf sie, bis sie aufgibt und sich in die Fluten stürzt, Menschenfleisch, Festmahl, es riecht nach Essen, merkwürdig, denkt sie, wer kocht?, und plötzlich heult die Schiffssirene auf, ein riesiges, verwundetes Tier aus Urzeiten, und sie zuckte zusammen, stumm vor Schreck, und war wach.
    Zinkel hatte sein Handy ans

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