Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
Vom Netzwerk:
vom Rücksitz und setz es aufs Dach«, wies er sie an.
    Marilene löste ihren Gurt und verrenkte sich fast im Versuch, es zu erreichen. Klappte nicht, Mist. Sie brachte die Rückenlehne in Liegestellung, etwas, das sie zuletzt vor dreißig Jahren gemacht hatte, schoss es ihr durch den Kopf, das Anschnallsignal machte sie wahnsinnig, aber jetzt kam sie ran, öffnete das Seitenfenster und knallte die Lampe aufs Dach.
    Augenblicklich trat Zinkel das Gaspedal durch, und die Schwerkraft legte sie flach. Es fiel ihr schwer, nicht loszugackern, das kannst du jetzt echt nicht bringen, befahl sie sich, er hält dich für total durchgedreht, und, hat er nicht recht?, fragte eine lästerliche Stimme in ihrem Kopf, klar, gab sie zurück, aber es gibt schließlich Schlimmeres, Schlimmere, und die Hysterie war wieder in Schach. Sie drehte den Sitz hoch und schnallte sich an. Wenn ich dich erwische, drohte sie stumm, sie musste ihre Hände bändigen, im Geist schlug und trat sie bereits um sich, unbesiegbar, Adrenalin putschte sie in einen wahren Rausch, aus dem sie nicht so schnell erwachen wollte, diesmal nicht, Heaven must wait .
    * * *
    Seit Marilene gesagt hatte, dass der Junge verlegt worden war, floss reinstes Adrenalin durch seine Adern. Die Müdigkeit war komplett verflogen, dabei hatte er mit den beiden Bullen wieder und wieder die Geschehnisse auf der Insel durchkauen müssen, die ganze Nacht lang hatten sie ihn gelöchert, misstrauisch ohne Ende. Man sollte meinen, dass sie ihn zuvorkommender behandelt hätten, er hatte schließlich einen Mörder erschossen und keinen unbescholtenen Bürger, und er hatte Antonia gerettet. Dass ihm, im Gegensatz zu Marilene, das Mädchen herzlich gleichgültig war, konnten sie ja nicht wissen.
    Sie hatten ewig drauf rumgeritten, wie er Herzogs Waffe von draußen habe sehen können, zumal Marilene sie nicht bemerkt hatte. Natürlich hatte er sie nicht gesehen. Natürlich war er ein ziemliches Risiko eingegangen, um den einzigen Zeugen der Hundeattacke auf den Jungen zu beseitigen. Aber jemand, der praktisch vor der eigenen Haustür einen Mann über den Haufen schießt, wird die Waffe danach nicht wegschließen, hatte er spekuliert und recht behalten: Herzog hatte die Waffe unter seinem Jackett getragen. Er hatte sie mit Hilfe eines Taschentuchs herausgezogen und neben dessen Hand gelegt, als Marilene nicht hergesehen hatte. Die Waffe des Polizisten hatte er in die Dünen geworfen, und auch das hatten sie ihm angekreidet. Ärgerlich, dass sie sich tatsächlich noch in der Nacht auf die Suche danach gemacht und sie auch gefunden hatten. So leicht kam man sonst nicht an Waffen, und gerade jetzt könnte er sie gut gebrauchen. Egal, er würde auch so zurechtkommen. Er war vorbereitet.
    Gerrit musste verschwinden, nicht nur, weil er ihm gefährlich werden konnte, das hatte er schon bei dem Essen mit Marilene und Joe instinktiv gespürt, und seine Aussage von wegen »irgendwas mit Informatik« hatte den Freak verraten, war ein universelles Understatement, das Profis gern verwendeten. Aber obendrein könnte auch er Steinhauers Wagen und das hessische Kennzeichen registriert haben. Früher oder später würde er sich daran erinnern und es entweder den Bullen melden oder selbst recherchieren. Wenn seine Verbindung zu Dr. Lindenau ans Tageslicht käme, wär’s aus mit seinen Chancen bei Marilene. Dazu durfte es nicht kommen.
    Er bog bei Leer-Ost auf die Autobahn und genoss das Gefühl, einen anständigen Motor unter der Haube zu haben, der es ihm ermöglichte, alle anderen Fahrzeuge hinter sich zu lassen, bretterte bis Leer-Nord, fuhr dort ab und Richtung Innenstadt. Den Krankenhausparkplatz meidend, stellte er den Wagen auf einem der Kurzzeitparkplätze gegenüber vom Friedhof ab. Er holte die Tasche, die aussah wie der Musterkoffer eines Pharmavertreters, aus dem Kofferraum, steckte die Spritze in seine Jackentasche und lief das kurze Stück zur Klinik.
    Die Zimmernummer hatte er bereits telefonisch erfragt. Er nahm den Fahrstuhl. Oben angelangt, wurde er ganz ruhig. Er stellte die Tasche ab, klopfte kurz, öffnete die Tür und streckte seinen Kopf um die Ecke.
    »Hey, Besuch.« Gerrit grinste.
    Der Kerl spielte glatt schon auf seinem iPad rum, nicht zu fassen. Immerhin hing er noch am Tropf, sonst hätte er jetzt ein Problem gehabt, ohne Waffe. »Super, dass es dir wieder besser geht«, behauptete er und betrat das Zimmer. Keine der Schwestern war in Sicht. Logisch, alle glaubten ja, dass Herzog

Weitere Kostenlose Bücher