Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
macht denn so was?«
»Vielleicht ging es auch dabei um dich«, sagte Marilene, »weil Gerrit dir zu nahe gekommen ist.«
»So kann man das aber nicht sagen«, stritt Antonia die Unterstellung ab, doch das Blitzen in ihren Augen strafte ihre Worte Lügen.
»Jedenfalls hat Olaf hier den Hund erledigt und Gerrit gerettet, also alles gut.«
* * *
»Mama, es tut mir so leid.«
»Kind, dir muss überhaupt nichts leidtun, du bist an gar nichts schuld. Ich hätte auf dich hören sollen, statt zu glauben, dass du bloß eifersüchtig bist. Aber vor allem hätte ich dir die Wahrheit sagen müssen.« Lilian Tewes stockte. »Über alles eigentlich.«
»Ich bin Leander, dein Onkel, wie du unschwer erkennen kannst«, schaltete sich der Bruder ein. »Ich hätte längst nach meiner Schwester suchen müssen, nicht erst, als es fast zu spät war.«
Antonia nickte. »Ich weiß Bescheid«, sagte sie.
Zinkel hatte ihr berichtet, was vorgefallen war, um ihr wenigstens den Schock zu ersparen. Er hatte nicht wissen können, dass sie keine Ahnung von der Existenz des Onkels gehabt hatte, sonst wäre er auch da behutsamer vorgegangen.
»Ich hab auch ein paar Geheimnisse, so ist das nicht«, fuhr Antonia fort, »und vielleicht ist es jetzt an der Zeit, dass wir alle auspacken, oder? Gibt’s auch noch ’ne Oma zu dir?«, fragte sie ihren Onkel.
»Oh ja«, sagte der, »aber sie sollte ein Geheimnis bleiben, glaub mir.«
Zinkel sah, wie Marilene die Finger ausschüttelte, als hätte sie sich verbrannt. Aha, dachte er, sie war längst auf die Spur der Familie gekommen, das hatte sie ihm nicht erzählt, nur, dass Antonia sie beauftragt hatte, herauszufinden, wer ihr leiblicher Vater war. Er nahm an, dass dieses Rätsel mit den unsäglichen Fotos zusammenhing, doch das ging ihn nichts an. Er wollte nach Hause, sich wenigstens umziehen, wenn schon nicht schlafen, und dann ins Büro, um die weiteren Ermittlungen zu koordinieren und mit Lübbens Hilfe die Ereignisse und Erkenntnisse zu entwirren. Er wurde nämlich das Gefühl nicht los, noch längst nicht vollständig im Bilde zu sein.
Grünberger schaute auf die Uhr und nahm Marilene beim Arm. »Ich muss jetzt wirklich los«, sagte er, »wenn du noch bleiben willst, dann müsstest du dich anderswo aufdrängen oder dich auf deinen Daumen verlassen.« Er schwenkte eine Tüte Bonbons in die Runde und steckte sich selbst eins in den Mund.
Zinkel griff zu, steckte eins für später in seine Hemdtasche. Zu witzig für jemanden, der gerade einen Menschen erschossen hatte, der Typ wurde ihm nicht sympathischer. »Ich kann dich mitnehmen«, bot er Marilene an, bereit, allein deshalb seinen Aufbruch noch zu verschieben.
»Das wär gut«, stimmte Marilene zu, »ich muss nämlich noch ein wenig zur Aufklärung von Geheimnissen beitragen.«
Grünberger schüttelte allen die Hand, wohingegen Marilene ein keusches Küsschen auf die Wange erhielt. Komisch, fand Zinkel, hatte Marilene nicht erzählt, Grünberger wollte die alte Beziehung wiederaufleben lassen? Wieso erschien er dann jetzt beinah erleichtert, sie loszuwerden? Er sah ihm nachdenklich hinterher, wie er zu seinem Wagen ging und davonbrauste, während Marilene Antonia beiseitenahm und mit ihr tuschelte. Schließlich nickte Antonia, und die beiden kamen wieder heran.
»Frau Tewes, sagen Ihnen die Namen Kelling und Breitbach etwas?«, fragte Marilene.
Tewes nickte errötend.
»Ihre Tochter hat mich beauftragt, herauszufinden, wer ihr leiblicher Vater ist«, erklärte Marilene, »weil sie zufällig diesen Brief an ihren damaligen Lebensgefährten gefunden hat, in dem jemand behauptet zu wissen, was seinerzeit tatsächlich geschehen ist. Ihr Mann hat Antonia gestern ziemlich zugesetzt, indem er schlimme Dinge über Sie behauptet hat. Antonia weiß jetzt, dass nichts davon stimmt, denn ich habe die beiden ausfindig gemacht. Genau genommen habe ich sie auf frischer Tat ertappt, als sie eine junge Frau betäubt haben, mutmaßlich, um gegen deren Willen Sex mit ihr zu haben. Immer noch dieselbe Masche.«
»Keine Drogen«, wandte Lilian Tewes ein, »sie haben mich betrunken gemacht, und dann bin ich hingefallen, hab mir den Fuß verknackst, und sie haben gesagt, sie bringen mich zum Arzt. Das war gelogen, aber ich war so ein Schaf, ich hab mir nichts dabei gedacht.«
Ihr Blick bekam etwas Suchendes, als er sich in der Vergangenheit verlor, und Zinkel fragte sich, ob ihre Erinnerungen an die weiteren Geschehnisse echt waren oder allein auf den
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