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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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für den Anschlag verantwortlich war. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett, schön nah an den Galgen. »Ist das schon erlaubt?«, fragte er scherzhaft und deutete auf das iPad.
    »Nö«, sagte Gerrit, »meine Schwester hat’s reingeschmuggelt, aber ich musste sie erpressen.«
    Er lachte pflichtschuldigst. »Was ist so wichtig, dass es nicht warten kann?«
    »Och, nichts«, behauptete Gerrit, »aber einen Junkie kann man nicht vom Objekt seiner Begierde fernhalten. Bei mir käme das einer Amputation gleich, und die ist mir ja gerade erst, dank deiner Hilfe, erspart geblieben, wie ich vernommen habe. Ganz schön mutig, ich glaub, ich hätte eher Hilfe gerufen, statt mich auf so eine Bestie zu stürzen. Auf jeden Fall bin ich dir echt was schuldig, Mann. Hat Paula dir schon gesagt, dass sie ein großes Fest zu deinen Ehren plant? Das wird ein Ding, sag ich dir.«
    Er redete viel zu viel. Er log. »Ja«, sagte er, »sie hat so was erwähnt. Ich freu mich schon drauf. Zeigst du mir, wie das Teil funktioniert? Alle Welt schwärmt davon, aber ich kann mir nicht viel drunter vorstellen.« Kein Freak konnte der Gelegenheit widerstehen, zu fachsimpeln, auch Gerrit nicht.
    »Die Version für Laien, ja?« Gerrit zwinkerte und schaltete das iPad wieder ein. »Im Grunde ist das wie ein Laptop ohne Tasten. Du kannst jede Menge Apps runterladen, hier zum Beispiel«, er klickte ein Icon an, »die Wettervorhersage, oder das hier ist auch cool, du hörst ein Lied irgendwo, weißt nicht, von wem es ist, und das Programm findet es heraus. Tausend Möglichkeiten, Spiele und Nützliches, ganz, wie man’s mag.«
    »Und Internet funktioniert auch?«, fragte er, während er die Spritze hervorholte und in den Händen verbarg, sich interessiert vornüberlehnend, als könne er so besser sehen.
    »Klar«, sagte Gerrit, »das ist ja der Sinn der Sache, dass du damit ins Netz kannst und auch noch was erkennen, die Displays der iPhones sind ja schon ziemlich klein.«
    Gerrit öffnete einen Browser, ohne zu bedenken, dass er sich dadurch verriet: In einer Leiste am oberen Rand waren die zuletzt besuchten Seiten zu erkennen. Als wenn es den Anstoß noch gebraucht hätte, dachte Olaf triumphierend, zog die Spritze auf und injizierte das Insulin direkt in den Schlauch, der zum Port an Gerrits Hand führte.
    Das Schlagen einer Tür ließ ihn herumfahren. Die stumme Schwester Gerrits polterte aus dem Schrank, in dem sie sich versteckt hatte, Kinderspiel, wie lächerlich, dachte er, und stand gemächlich auf, da stürzte sie auf ihn zu, einer Furie gleich, Tritte und Schläge prasselten auf ihn ein, dass er nicht mehr wusste, wo oben und unten war, wie viele Arme und Beine hat die blöde Kuh eigentlich? Er versuchte, Gegentreffer zu landen, doch nun griff Gerrit ein, zog an seiner Jacke, zog viel zu kräftig für einen Invaliden, und wie schnell brauchte das Insulin überhaupt, um seine Wirkung zu tun, war noch was in der Spritze?, ein Fuß traf ihn am Kinn, gottlob nicht die volle Breitseite, doch er geriet ins Taumeln, klappte zusammen, und das war seine Rettung, Gerrits Griff löste sich, die Schwester schlug sich erschreckt die Hand vor den Mund. Ja, dachte er gehässig, damit muss man schon umgehen können, mit der Angst vorm finalen Schlag, und er stieß sich ab in die Lücke zwischen den Rädern des Bettes und der Wand, stieß sich abermals ab, war draußen, war auf den Beinen, und bevor einer der beiden auch nur einen Mucks von sich geben konnte, war er bereits türknallend auf dem Flur, schnappte sich seine Tasche und verschwand auf der Patiententoilette am Ende des Ganges.
    Er atmete tief ein und aus, versuchte, nicht daran zu denken, dass die Pläne eines ganzen Jahres im Eimer waren, abgesoffen, wegen des Jungen da drin und seiner bekloppten Schwester, Mann, war er wütend! Komm runter, befahl er sich, erst mal raus hier, vermutlich war Verstärkung bereits im Anmarsch, und dies war nicht die Zeit für Rache, die würde schon noch kommen, dann, wenn sie nicht mehr damit rechneten, wenn sie ihn längst vergessen hatten und über alle Berge wähnten. Keine Berge, dachte er voller Vorfreude, holte den Arztkittel aus der ansonsten leeren Tasche, zog ihn über und trat auf den Gang. Forschen Schrittes, aber keineswegs hastig ging er zum Treppenhaus, ein Stockwerk nach oben, wo er von einem Fenster aus Parkplatz und Zufahrt im Blick hatte. Er wartete. Und das war gut so. Kurz nacheinander trafen ein Streifenwagen und zwei

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