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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Uhr. Gleich neun. Sie hatte die »Tagesschau« sehen wollen und war offenbar eingenickt. Also kein Wetterbericht heute. Der Fernseher gab alles, was er an heiler Welt zu bieten hatte, aber sie hatte keine Lust auf dümmliche Schönwetter-Schmonzetten, und so schaltete sie ihn aus. Stille. Auf Stille hatte sie auch keine Lust.
    Die Wohnung wirkte ungewohnt leer ohne Arne, sie vermisste sein Geplapper, seine Betriebsamkeit, sogar seine ausgewachsene Spielsucht. Sie konnte nicht einschätzen, ob er wirklich so gern spielte oder es ihretwegen tat, bis in die Nacht hinein, aber vielleicht war es auch nur, um nicht ins Bett zu müssen. Letzteres wahrscheinlich, denn sobald der Sieger des Abends feststand und sie auf die Uhr zu sehen begann, pflegte er, eine Diskussion vom Zaun zu brechen, die allzu oft in philosophisch anmutende Gefilde führte und partout nicht auf den nächsten Tag zu verschieben war. Das Kind war unmöglich. Klugscheißer, Taktiker, Quasselstrippe, alles verknüpft mit einem ausgeprägten Hang zu beinah clownesker Hyperaktivität, aber einfach hinreißend.
    Gleich nach seiner Ankunft hatte er sie gefragt, was sie so geplant habe für die Woche, die er bei ihr verbringen würde. Tatsächlich hatte sie sich darüber kaum Gedanken gemacht, sondern improvisieren wollen, je nach Laune und Wetter. Stattdessen war sie einem rigiden Programm unterworfen worden. Zunächst, befand Arne, mussten ihre restlichen Umzugskisten ausgepackt werden. Ihren Einwand, das habe Zeit, bis er wieder fort sei, hatte er mit einem nicht ganz unberechtigten »Dann machst du es nie« beiseitegewischt. Und so hatten sie das überzählige Zimmer förmlich zugemüllt mit all den Dingen, für die sie bislang keinen Platz gefunden hatte, kein wirklicher Fortschritt also, bis er sie überzeugt hatte, ein Möbelgeschäft aufzusuchen und ein paar Regale und Schränke zu erstehen. Die mussten natürlich unverzüglich aufgebaut und eingeräumt werden, und die Montage hatte Anlass zu allerlei Gekicher geboten und zu der entrüsteten Frage, ob sie denn von ihrem Vater so gar nichts gelernt habe.
    Das nächste Projekt war der Garten gewesen, den sie bis dahin nur aus ihrem Wohnzimmerfenster heraus und nicht als ihre Angelegenheit betrachtet hatte. Der verregnete Sommer hatte jede Vorstellung von gemütlichen Gartenaufenthalten im Keim ersäuft, doch das war ohnehin nicht das, was Arne im Sinn gehabt hatte. Beim ersten zaghaften Ausflug in die noch unbekannten Gefilde hatten sie einen Schuppen und darin ein Sammelsurium von rostigen Geräten vorgefunden, deren Bestimmung ihr völlig schleierhaft war. Gut, eine Schere diente sicherlich zum Schneiden, ein Spaten zum Graben, doch was musste geschnitten, was umgegraben werden?
    Es folgten Hilferufe an ihren Vater und zahllose Telefonate mit Arnes Großmutter Anita, per Handy, um anhand von Fotos zu ergründen, welche Pflanzen überhaupt dort wuchsen. Der Kauf eines Gartenbuchs für Anfänger hatte letztlich verhindert, dass sie im Übereifer etwa die Rhododendren zurückgeschnitten hatten. Der größte Kampf jedoch hatte darin bestanden, den zu einer kniehohen Naturwiese mutierten Rasen zu bezwingen. Allein die Gebrauchsanweisung für den neu erworbenen Rasenmäher zu begreifen und das Ding zusammenzusetzen hatte Blut, Schweiß und beinahe Tränen gekostet. Obendrein eine überflüssige Aktion, denn der Rasen war viel zu hoch zum Mähen gewesen, sodass ihr Vater mit einer Sense anrückte. Zu dem Zeitpunkt hatte sie beschlossen, Gartenarbeit sei Männersache, Punkt.
    Nach drei Tagen Schwerstarbeit jedoch war aus der Wildnis tatsächlich ein Garten geworden: Die Beete waren gehackt, und die satte Erde brachte die Sträucher erst richtig zur Geltung, glänzend in der Abendsonne und wie frisch geputzt, die verbliebenen Blätter des Fächerahorns schienen Flammen zu sprühen, und der Rasen war vom saftigsten Grün, aus dem noch hier und da ein vorwitziges Gänseblümchen spross.
    Marilene hatte nie vermisst, was sie nicht gekannt hatte, und nicht geahnt, was ihr bislang entgangen war. Kreuzschmerzen, Muskelkater und schmutzige Fingernägel? Einerlei, Trophäen eher denn Plagen, eine Empfindung, die sie heftig verwirrte. Aus unerfindlichen Gründen konnte sie es kaum erwarten, im Frühjahr wieder ans Werk zu gehen. Sie war einem seltsamen Zauber erlegen, den sie nicht mehr missen wollte, und gespannt, welche Wandlungen ihr neues Leben noch bringen mochte.
    Auf einmal ruhelos, beschloss sie, einen

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