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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Schultern hoch und stand auf, um den Tisch abzuräumen, bevor sie noch tiefer glitt in das, was sie für gewöhnlich abtat als ihre »schlimme Zeit«. Damals.
    * * *
    »Marilene?«
    Marilene blickte von ihrem Buch auf und blinzelte gegen die grelle Sonne. Ein Mann beugte sich halb über ihren Tisch, offensichtlich darauf wartend, von ihr erkannt zu werden.
    »Was für ein Zufall, dass wir uns hier über den Weg laufen!«, verkündete er strahlend.
    Von Laufen kann nicht direkt die Rede sein, dachte sie spöttisch.
    Nachdem Antonia am Morgen nach Hause gefahren war, hatte sie selbst zunächst mit Gerrit telefoniert und ihn auf Christian Körber und Lilian Tewes angesetzt, bevor sie sich darangemacht hatte, ihren Haushalt zumindest annähernd auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Sogar gebügelt hatte sie. Als das Wetter danach immer noch der Jahreszeit zuwiderhandelte, hatte es sie nicht länger im Haus gehalten.
    In der Fußgängerzone hatte ein Gedränge geherrscht, wie sie es nur von Adventssamstagen in Wiesbaden kannte, und so war sie bis in die Altstadt gepilgert, wo es zwar auch lebhaft, aber wenigstens gemächlicher zuging. An der Waage war sie schließlich umgekehrt und die Uferpromenade entlangspaziert, einen eben erstandenen Krimi unter den Arm geklemmt. In dem Café am Ufer war ein Pärchen so plötzlich von seinem Tisch aufgesprungen, dass sie sich gefragt hatte, ob es sich um Zechprellerei handelte. Da jedoch bereits neue Gäste dorthin strebten, hatte sie ihre Bedenken bezüglich der womöglich nicht beglichenen Rechnung beiseitegeschoben und genoss nun ihren vermutlich letzten Eiskaffee der Saison, ungeachtet seines Kaloriengehalts. Zufrieden und in Frieden. Bis eben.
    Sie musterte den Mann unverhohlen: Anfang fünfzig, schätzte sie, vielleicht eins achtzig, dunkelbraunes, von ein paar grauen Strähnen durchzogenes, dichtes Haar, und unergründliche braune Augen, kleiner Schnäuzer, bereits mehr grau denn braun, Jeans, kurzärmeliges Hemd, das den Blick auf seine gebräunten Arme lenkte, auf breite Hände mit etwas zu kurz geratenen Fingern. »Ich kenne Sie nicht«, erklärte sie mit Bestimmtheit.
    »Die verschollene Liebe meines Lebens erkennt mich nicht wieder? Ach, ich armer Tropf.« Er kreuzte die Hände über der Brust und schüttelte theatralisch den Kopf. »Die Spuren des Alters.« Er setzte sich ungefragt zu ihr an den Tisch. »Natürlich nicht bei dir, du hast dich kein bisschen verändert seit damals. Bist höchstens noch schöner, noch interessanter geworden.«
    Die Schmeichelei half auch nicht weiter; sie hob hilflos die Schultern. Sie hatte keine Ahnung, wer ihr hier gegenübersaß. Und sie war sich auch nicht sicher, ob sie es überhaupt wissen wollte. Sie kniff die Augen zusammen. Da war etwas in seinem Blick, das ihr missfiel. Antonias Worte, die sie als spätpubertäre Eifersucht abgetan hatte – jetzt verwendete sie sie selbst und versuchte doch, den Hauch von Unbehagen abzuschütteln, der sie streifte: ein kühler Luftzug nur, nicht mehr, ein Schattenintermezzo, verursacht von der ausgerissenen Wolke, die gerade vor die Sonne huschte, graublau drohend, dabei ihren Rand, den silberhellen, nicht verhehlen konnte.
    Ihr Gegenüber legte ein Übermaß an Treuherzigkeit in seinen Augenaufschlag. »Also gut, ich geb dir eine kleine Hilfestellung: Pfadfinder.«
    »Also ehrlich«, entfuhr es Marilene, »das ist dreißig Jahre her!« Außerdem hasste sie solche Ratespielchen.
    »Ich weiß das noch wie gestern, komm schon, gib dir ein bisschen Mühe.«
    Sie schüttelte stumm den Kopf und wünschte, er würde einfach verschwinden. Sie winkte der Kellnerin, um zu bezahlen, doch die speiste sie mit einem »Bin gleich da« ab und eilte davon.
    »So leicht entkommst du mir nicht.« Der Typ drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger. »Zweite Hilfe: das Sommerlager in Dänemark.«
    Allmählich dämmerte es ihr. Kein guter Sommer. Absolut nicht. Da war nichts, woran sie sich auch nur bruchstückhaft erinnern wollte. All die Jahre war es ihr gelungen, diese kurze, ohnehin verschwommene Episode zu verdrängen, sie würde gewiss nicht jetzt damit anfangen, in ihrer Vergangenheit zu kramen. Danke, nein, kein Bedarf. Sie schnappte ihre Sachen und stand auf, um zu gehen, würde sie eben drinnen bezahlen, und dann nichts wie weg hier. »Tut mir leid«, log sie, »ich kann mich wirklich nicht erinnern. Außerdem war ich nie in Dänemark. Sie müssen mich verwechseln.«
    »Ts, ts«, rügte er sie, »schlechter

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