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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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deutlichere Worte ihrerseits, und die würde sie aussprechen. Und zwar sehr deutlich. Entschlossen marschierte sie wieder los, die Standpauke schon im Kopf probierend.
    »Bin ich zu früh dran? Bitte nicht schießen.« Gerrit Baron hob beide Hände.
    »Du?!«, rief sie überrascht und begriff nicht, warum sie nicht erkannt hatte, dass hier kein älterer Mann auf sie wartete, sondern ein schmaler, kaum den Kinderschuhen entwachsener Junge. Jedenfalls aus ihrer gesetzten Perspektive; er selbst würde sich vehement gegen diese Bezeichnung verwahren, schließlich war er bereits biblische neunzehn, Student und selbstständiger Unternehmer, der in Wiesbaden ein Büro im selben Haus unterhielt, in dem ihre alte Kanzlei gewesen war. Und das Wiesbadener Kennzeichen an dem Mini hatte sie auch nicht bemerkt.
    »Du hast doch gesagt, ich darf dich besuchen, wenn ich für dich recherchiere.«
    »Ja schon«, stammelte sie, »aber hab ich auch von Überraschungsbesuch noch am selben Tag gesprochen? Hast du keine Uni?«
    »Tu nicht so erwachsen«, forderte er sie auf. »Wo bleibt dein Sinn für Spontanität?«
    »Ich bin erwachsen«, entgegnete sie lahm, wohl wissend, dass sie ohnehin bei jedem Disput mit ihm den Kürzeren zöge. Außerdem war Spontanität ein Fremdwort für sie, zumindest im zwischenmenschlichen Bereich. Trotzdem war sie völlig unangemessen froh, ihn zu sehen, ihn gerade heute zu sehen. Nur durfte sie sich das auf gar keinen Fall anmerken lassen. Er würde das gnadenlos ausnutzen und eine seiner Charmeoffensiven starten, denen nur schwer zu widerstehen war. Und bei Lothar petzen würde er vermutlich obendrein.
    »Ich hab vorlesungsfreie Zeit«, nuschelte Gerrit, »also hab ich mir gedacht, ich könnte genauso gut hier tun, worum du mich gebeten hast. Wer weiß, wann du deine Einladung mal konkretisiert hättest. Keine Angst, ich werde deine Rechner nicht in Beschlag nehmen, ich hab alles dabei, was ich brauche.« Er öffnete den Kofferraum.
    »Ich dachte, ich hätte meinen Umzug hinter mir«, sagte Marilene verblüfft. Sie hatte nicht erwartet, dass dieser Kofferraum geräumig genug war, eine komplette Büroeinrichtung aufzunehmen.
    »Hier, nimm mal.« Gerrit reichte ihr eine Kiste mit glucksendem Inhalt. »Vino. Kleiner Gruß vom Chef. Eigentlich wollte ich nächstes Wochenende mit ihm mitkommen, aber die Idee hat ihm nicht so richtig gefallen. Er hat mich regelrecht gedrängt, jetzt schon zu fahren.«
    Das konnte sie sich vorstellen. In Lothars Augen war Gerrit eine wortmächtige Plage, der man tunlichst aus dem Wege ging, wenn man Wert auf Diskretion legte. Das allerdings galt für Lothar nicht minder, überlegte sie, und bei dem durfte man nicht mal an etwas denken, ohne dass er davon Wind bekam. Gerrit fragte einem Löcher in den Bauch, Lothar hatte das gar nicht erst nötig.
    »Steckst du schon wieder in Schwierigkeiten?«, fragte Gerrit. »Ich hatte das Gefühl, er will mich hier als Aufpasser.«
    »Nicht die Spur«, wehrte sie ab, »das hier ist Ostfriesland.«
    »Ja, das hab ich mir auch gedacht. Aber DSL habt ihr doch, oder?«
    »Woher soll ich wissen, ob wir etwas haben, von dem ich nicht weiß, was es ist?«
    Gerrit murmelte etwas von Frauen und Technik.
    Zwar verstand Marilene ihn nicht genau, stimmte jedoch absolut zu; in diesem Bereich hatte sie mit Selbstkritik überhaupt kein Problem. Sie entdeckte auf der Rückbank einen Koffer, der die Dimensionen eines Kurzbesuchs klar sprengte. »Wie lange hattest du vor zu bleiben?«, fragte sie.
    »Marilene«, Gerrit richtete sich zu voller Größe auf, »ich bleibe so lange, wie es dauert, jeden deiner Wünsche zu erfüllen. Und wenn Lothar kommt, bin ich sofort weg. Musste ich ihm versprechen«, fügte er hinzu und ließ betrübt die Schultern hängen.
    Beruhigend, dachte Marilene, ihre Wohnung verkam allmählich zur Jugendherberge. Und das verräterische Wörtchen »jeden« würde sie bestimmt nicht hinterfragen. »Na dann«, sagte sie, »Spaghetti?«
    »Super.« Gerrit strahlte. »Lass mich nur schnell das Auto ausräumen.« Er klappte den Kofferraum wieder zu und zerrte zunächst den schrankähnlichen Koffer von der Rückbank.
    »Krieg ich auch was ab?«
    »Niklas!« Marilene ließ vor Schreck beinahe den Wein fallen. »Was machst du denn hier?« Der älteste Sohn ihrer Jugendfreundin studierte seit Kurzem in Oldenburg und verbrachte gelegentlich ein Wochenende bei ihr, hatte sich jedoch dieses Mal nicht angemeldet.
    »Oh klasse, kannst mir helfen«,

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