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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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sagte Gerrit und öffnete den Deckel wiederum.
    Niklas beäugte den Inhalt ebenso staunend, jedoch mit wesentlich größerem Interesse. »Ziehst du jetzt auch hier hoch? Ey, Mann, ist das das neue iPad?«
    »Mal sehen und ja«, sagte Gerrit, »kannst gern nachher mal ran.«
    Was sollte das nun wieder bedeuten?, überlegte Marilene, er auch? Sie argwöhnte, dass Gerrit nicht aufrichtig war, was seinen Besuch anbelangte, zumal sie ihm die »vorlesungsfreie Zeit« nicht abnahm. Die Semesterferien waren vorbei.
    »Voll cool«, hauchte Niklas andächtig, bevor er sich auf ihre Frage besann. »Oh, sorry, Marilene, ich weiß auch nicht, irgendwie hab ich nichts auf die Reihe gekriegt heute, und da hab ich gedacht, ich überrasch dich einfach. Morgen muss ich auch schon wieder zurück. Ich meine, wenn das okay geht, sonst fahr ich natürlich heute wieder, gar kein Problem.«
    »Natürlich kannst du bleiben«, sagte sie, »ich freu mich immer, dich zu sehen.«
    »Zu mir hat sie das nicht gesagt«, beklagte sich Gerrit.
    »Stimmt«, entgegnete sie, »ich hatte Angst, du würdest gleich bei mir einziehen, wenn ich zu freundlich bin.«
    »Völlig zu Recht.« Gerrit warf ihr seinen Schlafzimmerblick zu.
    Marilene lachte und ging schon mal vor, um die Jugendherberge aufzuschließen.
    * * *
    Was war das hier? Eine verdammte Jugendherberge? Er hatte geglaubt, mit ihrem Umzug von Wiesbaden hierher endlich freie Bahn zu haben, und nun hatte sie dauernd Besuch von irgendwelchen lästigen Bälgern. Hatten die denn kein eigenes Zuhause? Es war zum Auswachsen! Gestern hatte er sich schon am Ziel gewähnt, da war sie viel zu schnell zurückgekommen und hatte auch noch dieses Mädchen mitgebracht. Und ewig geredet. Die Warterei, bis er endlich die Wohnung wieder hatte verlassen können, war verflucht öde gewesen. Obendrein unverrichteter Dinge, denn sie hatte seit seinem letzten Besuch tatsächlich ihre restlichen Umzugskisten ausgepackt, sodass er elend lange gebraucht hatte, um wiederzufinden, was er suchte. Genau in dem Moment, als er es entdeckte, hatte er den Schlüssel in der Tür gehört und sich gerade noch verstecken können. Im Gästezimmer, ausgerechnet.
    Er hatte seinen Ohren nicht getraut, als sie dem Mädchen angeboten hatte, bei ihr zu übernachten. Die Frau war eine verhinderte Herbergsmutter. Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als in den Kleiderschrank zu kriechen, der so gewaltig unter seinem Gewicht geächzt hatte, dass er jeden Augenblick damit gerechnet hatte, entdeckt zu werden. Dann wäre all seine Mühe umsonst gewesen. Doch es war nichts passiert.
    Stunden, so kam es ihm vor, hatte er in verteufelt unbequemer Haltung ausharren müssen, bis endlich das Schluchzen des Mädchens in ein leises Schnarchen übergegangen war. Dann hatte er die Tür des Schrankes sachte, unendlich sachte, aufgeschoben, in Zeitlupe seine Knochen entwirrt und die eingeschlafenen Beine massiert, bis er sich zutraute, aufzustehen, wieder innehaltend, als seine Knie knackten, doch das Mädchen hatte sich lediglich auf die andere Seite herumgeworfen und weitergeschlafen. Im Schein des Mondes, der sein Licht über ihr Kopfkissen ausschüttete, hatte er ihren Schlaf noch eine Weile beobachtet und sich vorgestellt, es handelte sich um seine und Marilenes Tochter. Eine schöne Vorstellung, unwiderstehlich in ihrer Vollkommenheit. Mühsam hatte er sich von dem Anblick, dem ohnehin zu späten Wunsch nach familiärer Idylle, losgerissen und war aus der Wohnung geschlichen.
    Heute Nachmittag hatte er ihr eine letzte Gelegenheit geboten, sich freiwillig auf ihn einzulassen, obgleich er nicht wirklich erwartet hatte, dass sie dieses Mal anders reagierte und ihn nicht schnöde links liegen ließe. Die Begegnung war so minutiös und drehbuchreif geplant gewesen wie alles andere, seit er sie eines Tages zufällig im Wartezimmer seines Therapeuten wiedergesehen hatte.
    Er hatte sich damals nicht zu erkennen gegeben, war viel zu perplex über die unverhoffte Begegnung gewesen, als dass ihm irgendeine halbwegs lässige Bemerkung eingefallen wäre. Zudem war sie mit drei Kindern dort gewesen, und er hatte angenommen, es handelte sich um ihre eigenen und sie wäre gebunden. Einer plötzlichen Eingebung folgend, hatte er die Tür der Praxis nicht sofort hinter sich zufallen lassen, sondern gelauscht und so mitbekommen, wie der Therapeut Familie Jessen und Frau Müller zu sich ins Sprechzimmer gebeten hatte. Schicksal, hatte er gedacht, nun würde sich

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