Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
Vom Netzwerk:
Versuch. Natürlich warst du in Dänemark nach deinem Abi. Du warst sehr durcheinander in dem Sommer, deine Mutter hatte euch gerade verlassen …«
    Sie hielt inne. Darüber hatte sie nie mit jemandem gesprochen, außer mit ihrer besten Freundin und deren Mutter. »Woher –« Sie unterbrach sich, das wollte er ja gerade, sie in ein Gespräch verwickeln, dem sie sich nicht entziehen konnte. Konnte sie aber. »Ach egal«, sagte sie, »ich muss jetzt los.«
    Sie wandte sich ab und ging zum Bezahlen ins Café, bemüht, ihre Schritte gleichmütig wirken zu lassen, und überhörte geflissentlich sein »Auf Wiedersehen«. Dreh dich nicht um, beschwor sie sich, er würde sofort merken, dass sie ziemlich aus dem Gleichgewicht geraten war. Wer er auch war – an seinen Namen konnte sie sich tatsächlich nicht erinnern –, er machte nicht den Eindruck, als würde er schnell aufgeben. Die Liebe seines Lebens, ha! Die Liebe ihres Lebens war er ganz sicher nicht gewesen, daran müsste sie sich doch erinnern. Sehr merkwürdig, das Ganze.
    Endlich erwischte sie die Kellnerin, zahlte und trat wieder ins Freie. Demonstrativ schaute sie auf ihre Armbanduhr, hob die Brauen mit einem Was-so-spät-schon-Ausdruck und eilte zielstrebig Richtung Fußgängerzone. Das Plätschern der Wasserrinne an ihrem Weg, für die manche einen weniger schmeichelhaften Namen verwendeten, besänftigte sie etwas; Kinder planschten herum, sprangen ins Wasser und kreischten, wenn sie dabei nass wurden; immun gegen den Lärm, standen Eltern schwatzend in Gruppen, sofern sie ihren Nachwuchs nicht ausgesetzt hatten, um in Ruhe ihre Einkäufe zu erledigen.
    In der Innenstadt herrschte noch immer lebhafter Betrieb, die Menschen schoben sich in gegenläufigen Richtungen aneinander vorbei, einer kurios anmutenden Massenchoreografie folgend, doch nun tauchte Marilene dankbar in das Gewimmel ein, statt es zu meiden. Sie ließ sich nach rechts treiben und stahl sich ins Kaufhaus, das über einen Hinterausgang verfügte, ein kleiner Umweg nur, doch den nahm sie gern in Kauf, und erst hier wagte sie, sich umzudrehen: Er war ihr nicht gefolgt.
    Erleichtert stieß sie den unbewusst angehaltenen Atem aus, ein Aufschub nur, das war ihr klar, sie stand im Telefonbuch, als Kanzlei jedenfalls. Wenn er sie beobachtete, würde er schnell mitbekommen, dass sie das Haus nach Feierabend selten verließ. Und er würde merken, dass außer ihr niemand im Haus war. Bislang hatte sie das nicht gestört, unsinnig eigentlich, Einbrüche wurden hier wie anderswo verübt, und trotzdem hatte sie sich sicher gefühlt, sicherer als in ihrer Wiesbadener Wohnung allemal. Jetzt hatte die Realität sie eingeholt.
    Wütend stieß sie die Ausgangstür auf, heftiger als nötig, und konnte den Rückprall gerade noch und durchaus schmerzhaft mit dem Arm abfangen. Sie stöhnte vernehmlich auf. Das Imperium schlägt zurück, mokierte sie sich innerlich, wenn sie sich nun ein blaues Auge eingefangen hätte, wäre es vielleicht das sprichwörtliche gewesen. Gerade noch einmal davongekommen? Vielleicht hätte sie ein ramponiertes Äußeres lieber in Kauf nehmen sollen, wenn die Sache damit erledigt wäre. Andererseits hatten diese Ablasshandel bei ihr noch nie funktioniert: Auf jede Selbstkasteiung, der sie sich je unterworfen hatte, war genau das Ereignis gefolgt, das sie dadurch hatte vermeiden wollen. Im Grunde hatte sie stets nur noch einen draufgesetzt. Warum sich mit einem Möchtegern-Verehrer begnügen, wenn man obendrein ein blaues Auge bekommen konnte? Du spinnst, schalt sie sich, was war schließlich groß passiert? Der Typ hatte versucht anzubandeln, und sie hatte ihn abgewiesen. Kein Drama. Und wer weiß, vielleicht hatte er die Botschaft ja sogar verstanden, beruhigte sie sich.
    Sie näherte sich ihrem Haus. Jemand tigerte vor dem Privateingang auf und ab. Braunes Haar, oh nein, dachte sie und blieb stehen, er wusste längst, wo sie wohnte, die Geschichte war bereits viel weiter gediehen, als sie angenommen hatte, das zufällige Über-den-Weg-Laufen war Teil einer Inszenierung gewesen, deren unfreiwillige Hauptdarstellerin sie war. Was nun? Sie kam nicht mal unbemerkt an ihr Auto. Ganz davon abgesehen, dass die Einfahrt von einem Mini blockiert wurde. Kein ernst zu nehmendes Hindernis, fand sie, vielleicht könnte sie drüber wegrollen? Dafür musste sie allerdings erst in ihre Garage gelangen. Über den Garten? Nein, entschied sie, keine Angst zeigen, das wäre fatal, es brauchte anscheinend

Weitere Kostenlose Bücher