Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
nichts.«
»Weiß Lothar das?«
Marilene drohte Gerrit spielerisch mit der Faust. »Vielleicht könntest du anfangen, meine Privatsphäre zu respektieren? Falls du weißt, was das ist.«
Gerrit schmollte. »Apropos, was macht eigentlich dein Polizist?«, versuchte er abzulenken.
»Kochen«, knurrte sie, nicht gewillt, näher auf das Thema einzugehen.
»Interessante Berufswahl. Oder meintest du das im übertragenen Sinn?«
Marilene sah sich nach einem geeigneten Wurfgeschoss um, griff nach ihrem Feuerzeug und holte aus.
Gerrit duckte sich sicherheitshalber und hob beide Hände. »Okay, okay«, lenkte er ein, »ich seh schon, unser kleiner Exkurs ist hiermit beendet. Also zurück zum Thema: Antonia.«
Er wandte sich seinem Laptop zu und hackte geschäftig auf die Tastatur ein. »Es gibt in Neustadt in Holstein noch einen Eintrag auf Tewes. In Lübeck, das ist nicht weit entfernt, ist noch einer. Ich finde, wir sollten da hinfahren. Wenn jemand etwas über Antonias Entstehungsgeschichte weiß, dann doch wohl ihre Familie. Wir bräuchten natürlich eine echt einwandfreie Geschichte, um die zum Reden zu bringen. Ein so gut gehütetes Familiengeheimnis wird niemand einfach so ausspucken, schon gar nicht am Telefon.«
»Das mag ja stimmen, aber –«
Gerrit schnitt ihr das Wort ab. »Aber ich verspreche, mich absolut korrekt zu verhalten. Ich könnte mich als dein Sohn ausgeben, oder als Antonias Freund, was immer du willst. Lothar würde mir ewig dankbar sein, wenn ich dich begleite, und die Gelegenheit, ihn in meiner Schuld zu wissen, würde ich mir nur ungern entgehen lassen.«
* * *
Das Haus passte nicht so recht in die Umgebung, fand Zinkel. Es lag weiter ab von der Straße als die übrigen und verfügte über einen großzügigen Vorgarten, der zwar nicht verwildert, aber auch nicht sonderlich gepflegt war. Die zum Haus führenden Waschbetonplatten schimmerten grünlich, die typische Ostfriesland-Patina, der man nur mit Hochdruck beikommen konnte, und der senfgelbe Klinker biss in den Augen, war vermutlich in den Achtzigern modern gewesen, wohingegen heutzutage Weiß die bevorzugte Farbe wäre, wenn man sich abheben wollte. Die dunkelbraunen Holzrahmen der Fenster bedurften so dringend eines Anstrichs wie das leicht schief in den Angeln hängende Garagentor. Ein reiner Frauenhaushalt, nähme er an, stünde nicht ein Paar in der Tür. Jedoch würde er sich nicht festlegen wollen, ob es sich um Mann und Frau oder Vater und Tochter handelte, denn der Altersunterschied schien beträchtlich.
»Paul Zinkel, Kripo Leer«, stellte er sich vor und zückte seinen Ausweis. »Mein Kollege Enno Lübben.«
Lübben imitierte ihn, nur ungleich schneller, fast schon ein Taschenspielertrick, wie er den vermeintlichen Ausweis wieder verschwinden ließ, bevor die beiden mehr als einen flüchtigen Blick darauf werfen konnten.
»Das war Ihre Versicherungskarte«, bemerkte der Mann, »aber ich will’s Ihnen mal glauben. Frank Herzog, das ist meine Frau.« Er legte den Arm um deren Schultern und zog sie zu sich heran.
Zinkel wunderte sich, laut Töpferschild oberhalb der Klingel wohnten hier Lilian und Toni Tewes.
»Was hat sie denn nun schon wieder angestellt?«, fragte Herzog in einem Tonfall, als sei er Aufsichtsperson in einem Heim für straffällig gewordene Jugendliche und Besuch von der Polizei lästige Alltagsroutine.
»Wer?« Zinkel konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Herzog von seiner Frau sprach, einer ausnehmend hübschen Person, die ihn an himmlische Engel denken ließ mit ihrem goldglänzenden Haar und den sanftmütigen blauen Augen. Sie wirkte zu schüchtern, um je aus der Reihe zu tanzen oder gar zum Ziel polizeilicher Ermittlungen zu werden.
»Antonia natürlich, oder warum sind Sie sonst hier?«
Ah, dachte Zinkel, der Toni war eine Sie und offensichtlich nicht fortgezogen, wie er bei der Nennung des Namens Herzog zunächst befürchtet hatte. »Lilian Tewes?«, erkundigte er sich, Herzogs Frage ignorierend.
Sie warf einen kurzen Blick auf ihren Mann, als wollte sie sich vergewissern, dass er nichts gegen eine Antwort einzuwenden hatte, bevor sie stumm nickte. »Ich habe meinen Namen behalten«, fügte sie nun doch hinzu, »wegen Antonia.«
Diese Unterhaltung würde eine der zähen Art, fürchtete Zinkel.
Lübben schien ähnlich zu empfinden, denn er trat so nahe an die beiden heran, dass sie automatisch auseinanderwichen. Er nahm es als Einladung und betrat das Haus. Herzog wieselte
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