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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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um ihn herum und ging voran.
    Zinkel unterdrückte ein Grinsen und folgte. Er erlebte das Manöver nicht zum ersten Mal, hätte bei Herzog jedoch nicht erwartet, dass es funktionieren würde; er wirkte viel zu souverän, um so leicht das Feld zu räumen.
    Sie betraten das Wohnzimmer, wo Herzog mit unbestimmter Geste auf eine von blumengemustertem Brokatstoff überzogene Sitzgarnitur wies. Lübben und Zinkel setzten sich auf das entschieden zu niedrige Sofa, das mit dem Rücken zum Garten stand, Herzogs Frau wählte den Sessel gegenüber, wohingegen Herzog sich hinter dem Sessel postierte, die Hände auf den Schultern seiner Frau, der Griff ein wenig zu fest, so kam es Zinkel vor, denn sie zog die Schultern hoch, wie um sich zu entwinden. Besitzergreifend, dachte Zinkel, doch er konnte es ihm nicht mal verdenken, sie war wirklich – eine Augenweide? Ein anderes Wort wollte ihm nicht einfallen, doch es passte hierher, fand er, der Begriff so altmodisch anmutend wie der Raum, in dem sie sich befanden.
    Zinkel blickte auf einen massiven Wohnzimmerschrank, der fast die gesamte gegenüberliegende Wand einnahm, Nussbaum, glaubte er zu erkennen, ein Holz so dröge, dass es nur von Eiche rustikal übertroffen wurde. Tisch und Stühle der Essecke waren ebenfalls aus Nussbaum, die Stuhlpolster bezogen mit blank gewetztem braunen Samt, die schmalen hölzernen Rücklehnen förderten aufrechtes Sitzen, denn nutzte man sie gemäß ihrer Bestimmung, riefe dies garantiert ein lahmes Kreuz hervor. Deckenvertäfelung wie auch Parkettboden waren aus Eiche, was die Assoziation mit dem verderblichen Belag eines Sandwiches in ihm hervorrief. Die Schirme zweier Stehlampen versprühten den unwiderstehlichen Charme der fünfziger Jahre, und die Wände zierten diverse Stiche von Kranichen und Enten. Das Einzige, was ihm hier gefiel, war ein hübscher Sekretär, der im Durchgang zum Essbereich vor einem kleinen Butzenfenster stand, ein perfekter Platz, um in den Garten hinauszuschauen und schwermütige Gedichte zu verfassen. Ansonsten war die Einrichtung dazu angetan, Depressionen zu entfachen, und aus unerfindlichen Gründen empfand er Herzogs Gegenwart auch nicht gerade als stimmungsaufhellend.
    »Ich fürchte zwar, dass sich das bald genug ändern wird«, sagte der nun, »doch noch kenne ich die Gepflogenheiten bei Besuchen der Polizei nicht. Im Fernsehen fragt man an dieser Stelle, ob Sie was trinken möchten.«
    »Danke, nein«, lehnte Zinkel ab. »Wie kommen Sie darauf, dass wir Sie öfter aufsuchen werden?«
    »Nun, wir haben vorhin einen Anruf von der Schule erhalten, die die Tochter meiner Frau besucht. Antonia hat eine Schlägerei angezettelt. Deswegen sind Sie ja wohl hier.«
    »Angeblich«, warf Lilian Tewes kaum hörbar ein.
    »Schulhofschlägereien fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kriminalpolizei«, merkte Lübben steif an. »Tatsächlich geht es um den Verbleib von Christian Körber.«
    »Ach, so hieß doch dein Verflossener, oder, Schatz?« Herzog nickte ermunternd ihren Hinterkopf an. Schatz reagierte nicht, und so fuhr er fort: »Antonias Vater«, erläuterte er, »er hat vor ein paar Jahren die Biege gemacht und sie sitzen gelassen.«
    »Wohin?«, fragte Lübben.
    »Warum?«, fragte Zinkel zeitgleich, da ein Wohin vermutlich doch nur mit Ausflüchten beantwortet würde.
    »Er wird eine andere kennengelernt haben«, sagte Herzog. »Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass irgendeine Frau Lilian das Wasser reichen kann, aber des Menschen Wille ist nun mal sein Himmelreich.«
    »Himmelreich ist ein gutes Stichwort.« Zinkel reichte es, und so formulierte er drastischer, als er das normalerweise tun würde: »Wir haben ein Skelett gefunden und Grund zu der Annahme, dass es sich dabei um die sterblichen Überreste von Christian Körber handelt. Wenn Sie ihn kannten«, er bedachte Herzog mit seinem Böser-Bulle-Blick, »dürfen Sie gern als Zeuge aussagen, wenn nicht, möchten wir uns mit Ihrer Frau unterhalten. Ausschließlich.«
    »Ich bin erst vor drei Jahren nach Leer gezogen.« Herzog richtete sich auf. »Dann muss ich jetzt wohl das Feld räumen. Dürfen Sie das überhaupt? Mich aus meinem eigenen Wohnzimmer rauswerfen?« Er hob die Hände, als sei eine Waffe auf ihn gerichtet.
    »Vielleicht wäre es besser, wenn Sie uns auf die Dienststelle begleiten«, schlug Lübben an Tewes gewandt vor.
    Die jedoch schien ihn nicht zu hören. Sie saß vollkommen reglos, die Hände ineinander verkrampft, und ihr Gesicht war

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