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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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hineingelaufen«, sie rieb sich die Stirn, als sei dort noch immer eine Beule von dem Zusammenprall, »aber er hat nur gelacht. Und jetzt sind wir seit letzter Woche verheiratet, und Frank ist hier eingezogen, also hat manchmal auch ein Unfall sein Gutes, nicht?«
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte Zinkel und merkte selbst, dass er haarscharf an der Ironie vorbeischlidderte. Der Schwachkopf wohnte seit einer Woche in diesem Haus und bezeichnete diesen Raum als »sein eigenes Wohnzimmer«? Nicht zu fassen.
    Antonia schnaubte verächtlich, überspielte das Geräusch jedoch augenblicklich mit einem wenig überzeugenden Niesen. »Hast du doch wieder angefangen zu arbeiten?«, fragte sie.
    »Natürlich nicht, ich hab mich nur versprochen.«
    »Hätt mich auch gewundert«, murmelte Antonia kaum hörbar, »Franks Wünsche sind ihr heilig.«
    »Was war das?« Tewes nahm eine aufrechtere Haltung ein, wie um ihre Tochter zu maßregeln, bevor sie wieder zusammensackte. »Ach Kind, du tust ihm unrecht, wie oft muss ich das noch sagen?«
    Der offensichtlich seit Längerem schwelende innerfamiliäre Disput ging ihn nichts an, fand Zinkel, trotzdem hatte er das Gefühl, Antonia beistehen zu müssen. »Sie haben vorhin die Frage meines Kollegen nicht beantwortet«, versuchte er, zum Thema zurückzuleiten. »Warum hat Ihr Lebensgefährte Sie verlassen?« Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Antonia die Schultern hochzog, als fröstelte sie. Schneckenhaus, dachte er.
    »Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Lilian Tewes, und auch das klang wenig überzeugend.
    * * *
    Sie glaubten ihr nicht. Antonia lag auf ihrem Bett, und Tränen der Wut rannen ihr übers Gesicht. Von Frank hatte sie ja nichts anderes erwartet. Aber dass ihre Mutter, die noch nie was auf Hörensagen gegeben hatte, sich nun auf seine Seite schlug, war kaum zu glauben. Was war mit »Mach dir immer erst dein eigenes Bild, statt vorschnell zu urteilen«? Jetzt auf einmal reichte es, dass sie für diese Woche von der Schule suspendiert worden war, um genau das zu tun: vorschnell zu urteilen. Sich einem vorschnellen Urteil anzuschließen. Das Leben war so ungerecht. Natürlich wusste sie das längst, aber bisher war sie davon ausgegangen, dass das nur die Außenwelt betraf, nicht die eigene Familie. Restfamilie. Sie streifte die Tränen unwirsch mit dem Handrücken ab, doch die Heulerei wollte einfach nicht aufhören.
    Kein Wunder, denn das war es ja nicht allein. Die Nachricht vom Tod ihres Vaters war ein Schock gewesen. Des Mannes, den sie für ihren Vater gehalten hatte. Was eine ziemlich umständliche Bezeichnung war. Christian. Ihn beim Vornamen zu nennen, fiel ihr schwer. Sie hatte zum ersten Mal bemerkt, wie ihre Mutter sich bei der Bezeichnung korrigiert hatte, und fragte sich, ob sie früher nur besser hätte hinhören müssen, um zu begreifen, dass er nicht ihr Vater war. Zu spät. Zu spät für alles. Sie würde ihn nicht mal mehr fragen können, ob Vater-und-Kind-sein nicht vor allem mit Liebe zu tun hatte statt mit Genen. Ob Mann-und-Frau-sein nicht vor allem mit Liebe zu tun hatte statt mit Vergangenheit.
    Sie begriff nicht, wieso er einfach abgehauen war. Wenigstens hätte er mit ihrer Mutter drüber reden müssen, statt bloß den blöden Brief zurückzulassen, den er ja nicht mal selber geschrieben hatte. Das war voll daneben. Vielleicht würde er noch leben, wenn er nicht abgehauen wäre? Schnee von gestern. Jedenfalls konnte sie gut verstehen, dass ihre Mutter heute Nachmittag kein Wort über den Brief verloren hatte. Schlimm genug, dass Christian abgehauen war, aber was in dem Brief stand, würde erst recht ein schlechtes Licht auf sie werfen. »Das fällt auf dich zurück«, würde Uri sagen, einer von ihren blöden Sprüchen, deren Wahrheitsgehalt sie immer angezweifelt hatte. Bis jetzt. Jedenfalls würden die Polizisten das bestimmt für ein super Motiv halten.
    So wie Frank, der eh schon ganz scharf auf die Geschichte war. »Wie, Mord?«, äffte sie ihn gedanklich nach, »und da haben sie dich nicht mitgenommen? Die meisten Verbrechen werden nun mal von nahen Angehörigen begangen, das weiß doch jedes Kind, haha.« Idiot. Nur gut, dass er nichts von dem Brief wusste.
    Noch besser, dass sie ihn bei der Anwältin gelassen hatte. Sie hatte nämlich den Verdacht, dass Frank in ihrem Zimmer gewesen war. Obwohl sie es abschloss, bevor sie das Haus verließ, und den Schlüssel bei sich trug. Eine der Schubladen ihres Schreibtischs war nicht vollständig

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