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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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auch zu klären, wer was nicht wissen durfte und warum. Vertrackt, dachte sie, und falscher Zeitpunkt.
    Lilian reagierte nicht auf Antonias Vorhaltungen, und wieder kroch eine unfriedliche Stille in jeden kleinsten Winkel des nur spärlich beleuchteten Zimmers, spannungsgeladen wie die Atmosphäre vor einem Gewitter. Zeit zu verschwinden, bevor der Blitz einschlüge, fand Marilene. Die Vorboten des drohenden Sturmes drückten plötzlich die Wohnzimmertür auf. Von dem dumpfen Schlag, mit dem sie gegen den Stopper knallte, zuckte Marilene zusammen und verfolgte einigermaßen fassungslos, wie die Tür abprallte, nur um dann wieder nach innen zu schwingen, Geisterhand, kein Wind. Der Mann, dessen Silhouette im Rahmen auftauchte, kam ihr unwirklich vor, ein finsteres Gespenst, dem das grelle Licht der Flurlampe in seinem Rücken einen schauerlichen Heiligenschein verlieh.
    »Was haben wir denn hier für eine unerwartete Versammlung?«, fragte er und trat ein.
    Marilene musterte ihn verstohlen. Bei Licht besehen verlor er alles Bedrohliche, im Gegenteil, er wirkte behäbig, was an ein paar Kilo zu viel um die Hüften herum liegen mochte. Sie schätzte ihn auf Ende vierzig, höchstens Anfang fünfzig, offenbar um einiges älter als seine Frau. Er war groß, etwa eins neunzig, sein eckiger Schädel saß auf einem etwas zu kurz geratenen Hals, das dunkelblonde feine Haar war kurz geschnitten und der etwas hellere Schnurrbart akkurat gestutzt. Wache braune Augen blickten hinter einer klobigen Brille aus einem asymmetrischen Gesicht hervor. Seine Haut war blass, fast ungesund, die Hände riesig wie Schaufeln, registrierte sie. Alles in allem kein Mann, dem sie hinterherschauen würde; ohne dass er direkt als hässlich durchging. Vielmehr kam er ihr vor wie – falsch zusammengesetzt? Fast musste sie grinsen ob dieses seltsamen Gedankens. Aber es war schon was dran, überlegte sie. Sein Haar müsste dicker sein für einen Mann seiner Statur, die Haut dunkler angesichts der Haarfarbe, die Füße waren zu klein, steckten in Schuhen von höchstens Größe dreiundvierzig.
    »Frank! Endlich.« Lilian löste sich als Erste aus der Erstarrung und stürzte auf ihn zu.
    »Na, na«, sagte er beruhigend, umfing sie, legte ihr den Finger unters Kinn und hob es an. »Du hast geweint«, stellte er fest und warf Antonia einen ungnädigen Blick zu, als könne nur sie die Ursache dafür sein. »Wie? Du auch?«, fragte er. »Was ist hier überhaupt los?«
    Marilene suchte nach einigermaßen knappen Worten, die die beiden Katastrophen umrissen, ohne allzu dramatisch zu werden, damit nicht wieder Tränen strömten.
    Antonia war schneller. »Die Polizei hat heute das Haus durchsucht wegen Papa. Mama soll sich einen Anwalt nehmen, haben sie gesagt, darum ist Frau Müller hier.« Sie deutete auf Marilene. »Das ist Frank Herzog, Mamas Mann«, komplettierte sie die Vorstellung.
    »Und du hast einen neuen Freund?« Herzog fixierte Gerrit nicht eben freundlich.
    Marilene sah das »Noch nicht« aus Gerrits Augen blitzen. »Ich gehöre zu Frau Müller, Gerrit Baron«, entgegnete er, doch Herzogs Interesse war bereits erloschen.
    »Kein Grund zu heulen«, wandte er sich an seine Frau, »schließlich bist du ja noch nicht verhaftet worden, richtig?«
    Lilian schüttelte stumm den Kopf.
    »Das ist auch noch nicht alles«, fügte Marilene hinzu. »Antonias Freundin hat Selbstmord angekündigt. Die Polizei sucht sie gerade.«
    »Kathrin? Aber das ist ja furchtbar.« Herzog ließ Lilian stehen und eilte zu Antonia. »Sie werden sie schon finden, hörst du? Bestimmt ist alles in Ordnung mit ihr.« Er legte ihr beruhigend seine Hände auf die Schultern. »Ich weiß ja, wie sehr du an ihr hängst«, fuhr er fort, »und sie an dir, das würde sie dir nicht antun, ganz sicher nicht, komm schon, nicht weinen.« Er wischte mit den Daumen ihre Tränen fort. »Alles wird gut.« Er zog sie an sich, drückte ihren Kopf gegen seine Brust und strich ihr übers Haar.
    Marilene hob die Brauen. Antonia hielt nicht viel von Herzog, seine einfühlsamen Worte jedoch widerlegten, was Marilene ohnehin nur für pubertäre Eifersucht gehalten hatte. Sie sah zu Lilian hinüber, die soeben den angehaltenen Atem ausstieß, als habe auch sie anderes erwartet, nicht Verständnis und den Versuch zu trösten. Im Augenblick wurde sie hier nicht gebraucht, entschied Marilene. Sie bezweifelte, dass es morgen zu der Einvernahme kommen würde. Kathrin zu finden war dringender.
    Sie fing Lilians

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