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Marina.

Marina.

Titel: Marina. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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bringen. Ich habe nie daran gezweifelt, dass es ein absichtlich herbeigeführter Brand war. Eine Zeitlang glaubte ich sogar, Benjamín Sentís und andere Mitglieder der Firmenleitung hätten dahintergesteckt.«
    »Sentís?«, unterbrach ich ihn.
    »Es war überhaupt kein Geheimnis, dass Sentís Kolwenik hasste, weil dieser von seinem Vater die Kontrolle über die Firma bekommen hatte, doch sowohl er wie die anderen hatten noch triftigere Gründe, zu verhindern, dass der Fall je vor Gericht käme. Da ein toter Hund nicht mehr bellt, Kolwenik nicht mehr am Leben war, ergab das Puzzle keinen Sinn mehr. Man könnte sagen, dass sich in jener Nacht viele blutbesudelte Hände im Feuer gewissermaßen reingewaschen haben. Einmal mehr ließ sich, wie bei allem, was vom ersten Tag an mit diesem Skandal zu tun hatte, nichts beweisen. Alles endete in Schutt und Asche. Noch heute ist die Ermittlung in Sachen Velo-Granell das größte Rätsel der Polizeigeschichte dieser Stadt. Und der größte Misserfolg meines Lebens …«
    »Aber für den Brand konnten Sie ja nichts«, warf ich ein.
    »Meine Karriere bei der Kripo war dahin. Ich wurde zur Antisubversiveneinheit abkommandiert. Wisst ihr, was das bedeutet? Die Phantomjäger. So nannte man sie in der Abteilung. Wenn es nicht Zeiten des Hungers gewesen wären und ich mit meinem Lohn nicht meinen Bruder und seine Familie unterhalten hätte, ich hätte den Bettel hingeschmissen. Außerdem, wer wollte schon einen ehemaligen Polizisten einstellen. Man hatte Spione und Petzer satt. Also blieb ich. Die Arbeit bestand darin, um Mitternacht abgerissene Pensionen voller Rentner und Kriegsversehrter zu filzen, um Exemplare des
Kapitals
und im WC -Spülkasten sozialistische Flugblätter zu suchen, die in Plastikbeuteln versteckt waren, solche Sachen … Anfang 1949 dachte ich, für mich sei alles gelaufen. Alles, was schiefgehen konnte, war noch schiefer gegangen. Das glaubte ich wenigstens. Am frühen Morgen des 13. Dezember 1949, fast ein Jahr nach dem Brand, bei dem Kolwenik und seine Frau umgekommen waren, wurden die zerstückelten Leichen von zwei Inspektoren meiner ehemaligen Abteilung vor den Toren des alten Lagerhauses der Velo-Granell im Born gefunden. Es stellte sich heraus, dass sie dort gewesen waren, um einem Bericht über den Fall Velo-Granell nachzugehen, der ihnen anonym zugekommen war. Ein Hinterhalt. Den Tod, den sie fanden, wünsche ich auch meinem ärgsten Feind nicht. Nicht einmal die Räder eines Zuges richten einen Körper so zu, wie ich es im gerichtsmedizinischen Institut sehen musste. Sie waren gute Polizisten gewesen. Bewaffnet. Und sie wussten, was sie taten. Im Bericht hieß es, mehrere Anwohner hätten Schüsse gehört. Im Umfeld des Verbrechens wurden vierzehn 9-mm-Patronenhülsen gefunden. Alle stammten aus den Dienstwaffen der Inspektoren. An den Wänden wurde kein einziger Einschuss und nirgends ein Geschoss entdeckt.«
    »Und wie ist das zu erklären?«, fragte Marina.
    »Es gibt keine Erklärung. Es ist schlicht unmöglich. Aber so war es … Ich selbst habe die Hülsen gesehen und die Gegend abgesucht.«
    Marina und ich wechselten einen Blick.
    »Könnte es sein, dass die Schüsse auf einen Gegenstand abgegeben wurden, ein Auto oder ein Fuhrwerk beispielsweise, in dem die Kugeln stecken blieben und das dann spurlos verschwand?«, fragte Marina.
    »Deine Freundin wäre eine gute Polizistin. Mit dieser Hypothese haben wir eine Zeitlang gearbeitet, aber es gab keine Anhaltspunkte, die sie gestützt hätten. Geschosse dieser Größe neigen dazu, auf metallischen Flächen abzuprallen, und lassen zumindest eine Spur der Abpraller oder jedenfalls Splitter zurück. Es wurde nichts gefunden.«
     
     
    »Einige Tage später, auf der Beerdigung meiner Kollegen, sah ich mich Sentís gegenüber«, fuhr Florián fort. »Er war unruhig und sah aus, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. Seine Kleider waren schmutzig, und er stank nach Alkohol. Er gestand mir, er getraue sich nicht nach Hause zurück, streiche seit Tagen herum und schlafe in öffentlichen Lokalen. ›Mein Leben ist nichts mehr wert, Florián‹, sagte er. ›Ich bin ein toter Mann.‹ Ich bot ihm Polizeischutz an. Er lachte nur. Ich bot ihm sogar an, bei mir zu Hause Zuflucht zu suchen. Er lehnte ab. ›Ich will nicht Ihren Tod auf dem Gewissen haben, Florián‹, sagte er, ehe er sich in der Menge verlor. In den nächsten Monaten kamen sämtliche ehemaligen Vorstandsmitglieder der

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