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Marina.

Marina.

Titel: Marina. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Artillerie angezettelt worden.
    »Heilige Muttergottes …«, flüsterte ich.
    »Ruhe, das ist keine Kapelle«, sagte Florián schneidend und schloss die Tür zu diesem Zeughaus.
    Was er hinten genannt hatte, war ein kleines Esszimmer, von dem aus man ganz Barcelona betrachten konnte. Selbst im Ruhestand wachte der Inspektor in der Höhe. Er deutete auf ein durchlöchertes Sofa. Auf dem Tisch standen eine halbgeleerte Dose Bohnen und eine Flasche Estrella-Dorada-Bier ohne Glas. Polizistenrente, Elendsalter, dachte ich. Florián setzte sich uns gegenüber auf einen Stuhl und ergriff einen Trödelwecker, den er, Zifferblatt zu uns, auf den Tisch knallte.
    »Fünfzehn Minuten. Wenn ihr mir in einer Viertelstunde nichts gesagt habt, was ich nicht eh schon weiß, werf ich euch hochkant raus.«
    Wir brauchten deutlich länger als fünfzehn Minuten, um das Vorgefallene zu erzählen. Je länger sich Víctor Florián unsere Geschichte anhörte, desto mehr Risse bekam seine Fassade. Zwischen den Ritzen erriet ich den verbrauchten, erschreckten Mann, der sich in diesem Loch mit seinen alten Zeitungen und seiner Waffensammlung versteckte. Als wir ans Ende gelangt waren, nahm Florián seine Zigarre, betrachtete sie schweigend fast eine Minute lang und zündete sie schließlich an.
    Dann begann er zu sprechen, den Blick in der im Dunst liegenden phantasmagorischen Stadt versunken.

16
    » I m Jahr 1945 war ich Inspektor bei der Kripo Barcelona«, begann Florián. »Eigentlich wollte ich um meine Versetzung nach Madrid nachsuchen, da wurde mir der Fall Velo-Granell übertragen. Die Kripo war schon fast drei Jahre hinter Michail Kolwenik her, einem Ausländer mit wenig Sympathien beim Regime, aber man hatte ihm nichts nachweisen können. Mein Vorgänger hatte sein Amt niedergelegt. Die Velo-Granell war durch eine Mauer von Anwälten und ein Labyrinth von Finanzgesellschaften abgeschirmt, eine Wolke, in der sich alles auflöste. Meine Vorgesetzten verkauften mir den Fall als einmalige Chance, Karriere zu machen. Solche Fälle versetzen dich in ein Büro im Ministerium mit Fahrer und der Arbeitszeit eines Marquis, wurde mir gesagt. Ehrgeiz ist etwas für Idioten …«
    Florián machte eine Pause, um seine Worte auszukosten, und grinste sarkastisch vor sich hin. Er kaute auf seiner Zigarre herum wie auf einem Süßholzstengel.
    »Als ich das Dossier des Falls studierte, stellte ich fest, dass, was als Routineuntersuchung finanzieller Unregelmäßigkeiten und möglichen Betrugs begonnen hatte, sich zu einem Verfahren ausgewachsen hatte, von dem niemand wusste, welcher Einheit es übergeben werden sollte. Erpressung. Diebstahl. Versuchter Mord. Und da gab es noch mehr. Ihr müsst bedenken, dass sich meine Erfahrung bis dahin auf Fälle von Veruntreuung, Steuerhinterziehung, Betrug und Rechtsbeugung gründete. Nicht immer wurden solche Unregelmäßigkeiten bestraft, es waren andere Zeiten, aber wir wussten alles.«
    Unbehaglich hüllte er sich in eine blaue Wolke des eigenen Rauchs.
    »Warum haben Sie den Fall dann angenommen?«, fragte Marina.
    »Aus Arroganz. Aus Ehrgeiz und Habsucht.« Er sprach über sich in dem Ton, den er sich sonst, wie ich mir vorstellte, für die schlimmsten Kriminellen aufsparte.
    »Vielleicht auch, um die Wahrheit herauszufinden«, meinte ich. »Um für Gerechtigkeit zu sorgen.«
    Er lächelte mir traurig zu. In seinem Blick waren dreißig Jahre Gewissensbisse zu lesen.
    »Ende 1945 war die Velo-Granell technisch gesehen schon bankrott. Die drei wichtigsten Banken Barcelonas hatten ihre Kreditlinien gekündigt, und die Aktien der Firma waren von der Börse zurückgezogen worden. Nachdem die finanzielle Basis verschwunden war, stürzten die juristische Mauer und das Gerüst der Phantomgesellschaften wie ein Kartenhaus ein. Die Tage des Ruhms waren dahin. Das Gran Teatro Real, geschlossen seit der Tragödie, bei der Ewa Irinowa an ihrem Hochzeitstag verunstaltet wurde, war zu einer Ruine geworden. Fabrik und Ateliers wurden geschlossen, der ganze Besitz des Unternehmens beschlagnahmt. Die Gerüchte verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Kolwenik verlor seine Kaltblütigkeit nicht und beschloss, in der Warenbörse von Barcelona eine Cocktailparty großen Stils zu geben, um Ruhe und Normalität vorzugaukeln. Sein Partner Sentís befand sich am Rande der Panik. Mit den vorhandenen Mitteln war nicht einmal ein Zehntel des Essens zu bezahlen, das für die Veranstaltung bestellt worden war. An alle großen Aktionäre,

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