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Marina.

Marina.

Titel: Marina. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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diese Lektionen auf, mit der Gewissheit, dass es in dieser Wissenschaft eine noch zu entdeckende Botschaft gab.
    Er war noch keine zwanzig, als ihm der Tod erneut begegnete. Schon seit einiger Zeit hatte es um die Gesundheit des alten Arztes nicht gut gestanden. An einem Heiligabend, als sie eben eine Reise planten, auf der Michail den Süden Europas kennenlernen sollte, zerstörte ein Herzanfall die Hälfte seines Herzens. Antonin Kolwenik lag im Sterben. Michail schwor sich, dass der Tod ihm den Gefährten diesmal nicht entrisse.
    ›Mein Herz ist müde, Michail‹, sagte der alte Arzt. ›Es ist Zeit, meine Frida und meinen anderen Michail wiederzusehen …‹
    ›Ich werde Ihnen ein anderes Herz geben, Vater.‹
    Der Arzt lächelte. Dieser merkwürdige Junge und seine ausgefallenen Ideen … Der einzige Grund, warum er diese Welt zu verlassen fürchtete, war, ihn allein und schutzlos zurückzulassen. Michail hatte keine weiteren Freunde als die Bücher. Was sollte aus ihm werden?
    ›Du hast mir schon zehn Jahre Gesellschaft geschenkt, Michail. Jetzt musst du an dich denken. An deine Zukunft.‹
    ›Ich werde Sie nicht sterben lassen, Vater.‹
    ›Michail, erinnerst du dich noch an den Tag, an dem du mich fragtest, welches der Unterschied sei zwischen einem Arzt und einem Zauberer? Nun, es gibt keine Zauberei, Michail. Unser Körper beginnt von Geburt an zu zerfallen. Wir sind zerbrechliche Wesen, Kreaturen auf Zeit. Was von uns zurückbleibt, sind unsere Taten, das Gute oder Böse, das wir unseresgleichen antun. Verstehst du, was ich meine, Michail?‹
    Zehn Tage später fand die Polizei den weinenden Michail blutbesudelt neben der Leiche des Mannes, den er Vater zu nennen gelernt hatte. Die Nachbarn hatten die Behörden benachrichtigt, als sie einen seltsamen Geruch wahrnahmen und das Geheul des jungen Mannes hörten. Das Polizeiprotokoll kam zu dem Schluss, verwirrt durch den Tod des Arztes, habe Michail diesen seziert und versucht, mit einem Mechanismus aus Ventilen und Getrieben sein Herz zu reparieren. Michail landete in einem Prager Irrenhaus, dem er zwei Jahre später entkam, indem er sich tot stellte. Als die Behörden im Leichenhaus eintrafen, um seine Überreste zu holen, fanden sie nur ein weißes Laken und umherflatternde schwarze Schmetterlinge.
    Michail kam mit dem Keim des Wahnsinns und der Krankheit, die Jahre später zutage treten sollte, nach Barcelona. Er zeigte wenig Interesse an materiellen Dingen und der Gesellschaft der Menschen. Nie bildete er sich etwas ein auf das Vermögen, das er angehäuft hatte, und er sagte immer, niemand verdiene auch nur einen Céntimo mehr zu haben, als er denen zu geben bereit sei, die ihn dringender brauchten als er. An dem Abend, als ich ihn kennenlernte, sagte er, aus irgendeinem Grund schenke uns das Leben das, was wir gar nicht suchten. Ihm hatte es Geld, Ruhm und Macht gebracht. Seine Seele sehnte sich nur nach geistigem Frieden, danach, die in seinem Herzen hausenden Schatten zum Verstummen zu bringen.«
     
     
    »In den Monaten nach dem Zwischenfall in seinem Studio verbündeten Shelley, Luis und ich uns, um Michail von seinen Obsessionen fernzuhalten und abzulenken. Das war nicht einfach, er wusste immer, wann wir ihn belogen, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ. Er tanzte nach unserer Pfeife, spielte den Gefügigen und schien sich in seine Krankheit zu schicken, aber wenn ich ihm in die Augen schaute, sah ich darin die Schwärze, in der seine Seele schwamm. Er hatte kein Vertrauen mehr zu uns. Die elende Situation, in der wir lebten, verschlimmerte sich. Die Banken hatten unsere Konten gesperrt, und das Kapital der Velo-Granell war von der Regierung beschlagnahmt worden. Sentís, der sich aufgrund seiner Ränke schon als Alleininhaber der Firma gesehen hatte, war ruiniert. Das Einzige, was er bekam, war Michails ehemalige Wohnung in der Calle Princesa. Wir konnten nur denjenigen Besitz behalten, den Michail auf meinen Namen überschrieben hatte, das Gran Teatro Real, dieses nutzlose Grab, in das ich mich schließlich geflüchtet habe, sowie ein Gewächshaus an der Eisenbahnlinie nach Sarriá, das Michail früher als Werkstatt für seine persönlichen Experimente benutzt hatte.
    Damit wir zu essen hatten, verkaufte Luis meinen Schmuck und meine Kleider an den Meistbietenden. Meine Brautgeschenke, die ich nie benutzt hatte, wurden zu unserem Unterhalt. Michail und ich sprachen kaum noch miteinander. Immer missgebildeter, streifte er in unserer

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