Marissa Blumenthal 01 - Virus
merkwürdig. Ich nehme ohnehin an, daß Sie sich diesbezüglich von Ihren eigenen Eingebungen leiten lassen, egal was ich empfehle. Aber sorgen Sie jedenfalls dafür, daß alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um irgendwie einer Verbindung zu den Fällen in Los Angeles und St. Louis auf die Spur zu kommen.«
Für einen Augenblick starrte Marissa auf die Tür, die Dubchek hinter sich geschlossen hatte. Dann schaute sie wieder ihr Übersichtsblatt an und den Riesenstapel von Krankenunterlagen. Es war deprimierend.
Als ob Cyrills letzte Worte eine Herausforderung gewesen wären, beschloß Marissa, in die Kantine bzw. Cafeteria hinüberzugehen, die jenseits eines kleinen Gartenhofes als eigener Flügel erbaut worden war. Die Doppeltür, die in den großen Raum führte, war geschlossen, und auf der rechten Hälfte klebte ein Zettel mit der Aufschrift »Geschlossen auf Anordnung der staatlichen Gesundheitsbehörde«. Marissa drückte auf die Klinke - es war nicht abgesperrt.
Der Raum drinnen war fleckenlos sauber, und die Einrichtung war von Stahl und Plastik geprägt. Unmittelbar vor Marissa befand sich die Theke mit Tablettstapeln an der einen Seite und der Kasse an der anderen.
Eine zweite Doppeltür hinter der Theke, mit kleinen Rundfenstern, führte in die Küche. Während Marissa noch überlegte, ob sie hineingehen solle oder nicht, öffnete sich die Tür, und eine etwas füllige, aber durchaus attraktive Frau mittleren Alters erschien, die Marissa sogleich zurief, daß die Kantine geschlossen sei. Die junge Ärztin klärte die Frau über ihre Funktion auf und fragte, ob sie ihr ein paar Fragen stellen dürfe. »Aber sicher«, gab diese zurück und erklärte mit einem schwachen skandinavischen Akzent, daß sie Jana Beronson heiße und die Leiterin der Cafeteria sei. Marissa begleitete sie in ihr Büro, eine fensterlose Kammer, deren Wände mit Terminplänen und Speisekarten bedeckt waren.
Nach einer kleinen belanglosen Eingangsunterhaltung bat Marissa darum, die Speisekarte für das Mittagessen vor drei Tagen sehen zu dürfen. Frau Beronson holte sie aus einem Stapel heraus, und Marissa las sie rasch durch. Es war eine übliche Kantinenspeisekarte mit zwei Suppen, drei Hauptgerichten und einer Auswahl von Desserts.
»Ist das alles, was angeboten wurde?« fragte Marissa.
»Das war die Tageskarte«, antwortete Frau Beronson. »Natürlich haben wir ständig eine Auswahl von Sandwiches und Salaten sowie Getränken im Angebot.«
Marissa fragte, ob sie wohl eine Kopie dieser Speisekarte bekommen könne, und Frau Beronson nahm das Blatt und verließ das Büro, um eine Fotokopie machen zu lassen. Marissa entschloß sich, jeden der Erstpatienten danach zu fragen, was er vor drei Tagen zu Mittag gegessen habe. Außerdem würde sie eine Befragung bei einer Kontrollgruppe durchführen, die aus Personen zusammengesetzt war, die ebenfalls das Mittagessen in der Kantine eingenommen hatten, aber nicht erkrankt waren.
Frau Beronson kam mit der Kopie zurück. Als sie das Blatt zusammenfaltete, fragte Marissa: »Es wurde auch eine ihrer Mitarbeiterinnen krank, nicht wahr?«
»Ja, Maria Gonzales«, sagte Frau Beronson.
»Was war ihre Aufgabe hier bei Ihnen?«
»Sie bediente entweder an der Warmhaltetheke oder an der Salatausgabe«, antwortete Frau Beronson.
»Könnten Sie mir genau sagen, was sie am fraglichen Tag machte?« fragte Marissa.
Frau Beronson stand auf, ging zur Wand hinüber, wo einer der großen Terminpläne hing, schaute nach und beantwortete dann Marissas Frage: »Sie war für Desserts und Salate eingeteilt.«
Marissa überlegte, ob man nicht das gesamte Kantinenpersonal auf Ebola-Antikörper testen solle. Selbst wenn Ralph einen Spaß gemacht hatte, als er von einer »Ebola-Mary« sprach, die absichtlich den Ebola-Virus verbreitete, so war das doch nicht völlig auszuschließen, selbst wenn es für Afrika sicher nicht der Fall gewesen war.
»Möchten Sie sich einmal alles hier ansehen?« fragte Frau Beronson in dem Bemühen, sich gefällig zu erweisen.
Während der nächsten halben Stunde führte sie dann Marissa durch die Kantine, und zwar sowohl durch den eigentlichen Speisesaal als auch durch die Küche. In der Küche sah die junge Ärztin den großen begehbaren Kühlschrank, den Arbeitsbereich für die Essensvorbereitung und die mächtigen Gasherde. Im Speisesaal schritt sie an der Theke für die Essensausgabe entlang, warf einen Blick in die Besteckkästen und nahm die Deckel von den
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