Mark Beamon 01 - Der Auftrag
nicht. Über alles liebte er Schach, ein Spiel, das sein Vater mit seiner beschränkte Intelligenz nicht einmal begriff.
Ein paar Tage nach Hobarts fünfzehntem Geburtstag war seine Mutter wie jeden Dienstag mit Einkäufen beladen heimgekommen. Als sie um die Ecke bog, sah sie zwei Streifenwagen mit blitzendem Blaulicht vor ihrem Haus parken. Sie hatte sofort ihre Taschen fallen lassen und war losgerannt. Ihr Mann verprügelte sie und John nach seinen Sauftouren regelmäßig und war mit der Zeit immer gewalttätiger geworden. Sie war überzeugt, dass ihr Sohn tot war.
In Panik stürzte sie zur Tür herein. John saß auf einem Küchenstuhl, baumelte mit den Beinen und lutschte an einem Eis. Ein Polizist kauerte neben ihm und redete ihm leise zu. Er berichtete ihr, es habe einen Unfall gegeben. Ihr Ehemann sei die Treppe hinuntergefallen und habe sich das Genick gebrochen.
Sie war wie erstarrt gewesen, doch mehr als der Tod ihres Mannes hatte sie der vollkommen emotionslose Ausdruck auf dem Gesicht ihres Sohns entsetzt. Der Polizist war ihrem Blick gefolgt und hatte erklärt, er habe wahrscheinlich einen Schock. Sie hatte sich zu ihm gekniet und in seine Augen geschaut. Und dort hatte sie gesehen, was in Wahrheit an diesem Tag geschehen war.
Dieser Vorfall hatte John Hobarts gesamte Lebenseinstellung geprägt. Die meisten Probleme der Menschheit wurzelten in jahrhundertealten, oft widersprüchlichen moralischen Vorschriften. Für einen Mann, der genug Intelligenz und Entschlossenheit besaß, sich über diese unsinnigen Kategorien von Richtig und Falsch hinwegzusetzen, gab es kein Problem, das nicht rasch und für immer gelöst werden konnte. Obwohl es so simpel war, hatte Hobart noch nie jemanden getroffen, der diese Erkenntnis ebenfalls erfasst und die innere Stärke gehabt hätte, danach zu leben. In Vietnam hatte es ein paar Männer gegeben, die angefangen hatten, es zu verstehen, aber alle waren süchtig nach dem Töten geworden – süchtig nach dem Gefühl absoluter Macht, durch das sie vorübergehend ihre Schuldgefühle und ihr Entsetzen vergessen konnten. Für Hobart war das Töten lediglich ein Mittel zum Zweck, und er gebrauchte dieses Mittel gedankenlos, zielstrebig und ohne Skrupel.
»Tut mir Leid«, entschuldigte sich Blake und legte den Hörer auf. »Was steht heute auf der Tagesordnung?«
Hobart stand auf und schloss leise die Bürotür. »Nichts Besonderes, Reverend. Ich wollte nachfragen, ob Senator Haskins das Geld, das er verlangt hat, inzwischen bekommen hat – aber das scheint ja der Fall zu sein.« Er deutete zum Telefon. »Außerdem wollte ich Ihnen mitteilen, dass ich wegen des neuen Lifts verhandelt habe, als wir unseren Mietvertrag verlängert haben. Anfang nächster Woche haben Sie einen Schlüssel zum Fahrstuhl ganz rechts. Außer in Notfällen wird keiner der anderen mehr in dieses Stockwerk fahren. Es hat mich doch etwas beunruhigt, dass man so leicht Zutritt zu Ihrem Büro hat. Irgendein verrückter Drogensüchtiger könnte ohne weiteres hier herauf spazieren und unsere Sekretärin überfallen.«
Blake nickte. Er war nicht besonders begeistert davon, in seinem eigenen Büro regelrecht eingesperrt zu sein, aber von solchen Sachen verstand sein Sicherheitsberater mehr als er. Sie mochten notwendig sein, doch ihn beschäftigten wichtigere Dinge.
»Haben Sie heute den Artikel in der Post gelesen über diesen Jungen, den man angezündet hat, weil er keine Drogen nehmen wollte? Ich hab ihn mir auf der Fahrt hierher angeschaut.«
John stieß ein kurzes Lachen aus. »Es ist eine verrückte Welt, Reverend«, meinte er gleichgültig und blätterte zur nächsten Seite seines Blocks. Blake sah anhand der Überschrift, dass Hobart wohl über irgendwelche Offshore-Konten mit ihm reden wollte, doch ihm gingen im Moment ganz andere Zahlen durch den Sinn.
»Wie viel gibt die USA für den Kampf gegen Drogen aus?«
Hobart blickte automatisch auf seine Uhr, und Blake ärgerte sich wie jedes Mal über diese Angewohnheit, bei einem Gespräch ständig auf die Uhr zu schauen.
»Nun?«, fragte er hörbar gereizt.
Hobart legte frustriert den Block auf den Tisch. »Jährlich? An die fünfzehn Milliarden Dollar, schätze ich.«
»Und wie viel haben wir als Kirche im letzten Jahr Politikern gespendet, die für Recht und Ordnung sorgen wollen?«
Hobart überlegte einen Moment. »Schwer zu sagen, Reverend. Wir listen das nirgends gesondert auf.«
»Schätzen Sie.«
»In etwa zwei Millionen. Geben Sie
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