Mark Brandis - Aufstand der Roboter (Weltraumpartisanen) (German Edition)
Wohnung des Ministers für innere und äußere Sicherheit statt. Stefan Manescu selbst sorgte für einen kleinen Imbiß und erfrischende Getränke. Das Personal war in ein Hotel umquartiert worden. Aus Gründen der Geheimhaltung hatte man die Zahl der Konferenzteilnehmer auf ein Mindestmaß beschränkt.
Die Wohnung des Ministers befand sich im 230. Stock des Regierungshochhauses und galt als abhörsicher. Eine Anzahl sinnvoller Vorrichtungen aus dem Handwerkskasten der Abwehr bot Schutz vor unbefugt lauschenden Mikrofonen und richtstrahlgesteuerten Elektronenohren.
»Ich darf feststellen«, fuhr Harris nach einigem Nachdenken fort, »daß sich die Anweisungen in diesem Testament – als solches muß man diese Aufzeichnungen ja wohl bezeichnen – weitgehend mit jenem Vorschlag decken, den Mr. Bor von der Abteilung Kontakte mir unlängst unterbreitet hat.« Harris hob plötzlich den Kopf. »Mr. Manescu, wie stellen Sie sich zu einem solchen Unternehmen?«
Die Antwort des Ministers klang bestimmt: »Ich finde es unbedingt förderungswürdig, Sir. Der Plan besticht, gerade weil er einfach ist. Allerdings hat uns Commander Brandis noch nicht verraten, wie er seinen plötzlichen Frontwechsel zu motivieren gedenkt.«
John Harris‘ wasserblaue Augen waren plötzlich auf mich gerichtet. Selten war er mir so britisch kühl und nüchtern erschienen.
»Also, Brandis?«
»Ich gebe zu, Sir«, sagte ich, »daß dies vorerst noch ein schwacher Punkt ist. Ich nehme an, daß niemand mir den Überläufer aus Überzeugung abnehmen würde. Deshalb, so meine ich, sollte man Lieutenant Ibakas Plan an dieser Stelle abändern.«
Draußen begann es hell zu werden. Die Wolken, auf die die großen Panoramascheiben den Blick freigaben, hatten sich unter den ersten Sonnenstrahlen rosarot verfärbt. Die Natur erwachte. Eine Schwalbe glitt mit fast unbewegten Flügeln an der Fensterfront vorüber.
»Und was, Commander, schlagen Sie vor?«
»Da gibt es mehrere Möglichkeiten, Sir. Der sicherste Weg scheint mir zu sein ...«
»Kein Wort!«
Der plötzliche Aufschrei des Sicherheitsoffiziers ließ mich verstummen. Nun erst sah ich, daß auf seinem kleinen Kontrollpunkt ein rotes Lämpchen zu flackern begonnen hatte.
»Was soll das, Major?« Präsident Harris‘ Stimme klang ungehalten.
»Sofort, Sir!« Der Sicherheitsoffizier war aufgesprungen. Nun ergriff er sein Gewehr und eilte damit hinaus auf den Dachgarten. Einige Sekunden später kehrte er mit befriedigter Miene zurück. »Sie versuchen‘s doch mit allen Mitteln, Sir.«
»Was versuchen sie?« erkundigte sich Präsident Harris, bereits halbwegs beschwichtigt.
»Herauszubekommen, was in diesen Räumen gesprochen wird, Sir. Diesmal haben sie uns eine ferngesteuerte Schwalbe geschickt. Für wie dumm halten die mich eigentlich?«
Das rote Licht auf dem Kontrollpunkt war erloschen. Der Major hatte einen sicheren Schuß getan.
»Danke, Major! Gerade heute ist es wichtig, daß alles, was hier besprochen und beraten wird, unter uns bleibt.«
Harris wandte sich wieder an mich. »Sie wurden unterbrochen, Commander.«
»So ist es, Sir. Ich wollte gerade sagen: Wir gäben dem ganzen Unternehmen einen glaubhaften Anstrich, wenn wir den Ball gewissermaßen dem General zuspielten ...«
Ich brauchte nicht viel Zeit, um meinen eigenen Plan zu entwickeln.
Sonderbar: wie ich da stand und sprach, schien ich in zwei Personen aufgespalten zu sein. Eine davon hielt sich beobachtend im Hintergrund auf und notierte für sich, daß Mark Brandis, Commander (VEGA), in aller Ruhe und Entschiedenheit mit seinem Leben abgeschlossen hatte. Das andere Ich hingegen war voller Beredsamkeit. Nie wieder, sagte ich, würde sich der freien Menschheit eine solche Chance bieten, den Teufelstanz der Reinigenden Flamme zu beenden.
An dieser Stelle muß ich wohl aus heutiger Sicht hinzufügen, daß ich mich nie in der Rolle eines Selbstmörders gesehen habe. Andererseits jedoch war ich bereit, den vollen Preis zu entrichten, den dieses Unternehmen aller Voraussicht nach mir abverlangen würde.
Als ich schließlich verstummte, herrschte eine Weile lang Schweigen, bis der Präsident entschied: »Ich bin einverstanden.«
Ich dachte an Ruth O‘Hara und an jene vergilbende und dennoch ewig junge Botschaft, die sich für mich untrennbar mit ihrem Namen verband: Woran du glaubst, dafür sollst du leben und sterben .
Ruth O‘Hara hatte diesen Glauben in mir neu entfacht, bevor Gleichgültigkeit und Resignation ihn
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