Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mark Brandis - Testakte Kolibri

Mark Brandis - Testakte Kolibri

Titel: Mark Brandis - Testakte Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
Vom Netzwerk:
Regierungsvorhaben erklärt worden. Während Sie im Vorzimmer warteten, bekam ich die Nachricht.«
    Harris‘ sonderbare Weichheit fand ihre Erklärung. Er war in eine Lage geraten, die sich von der meinen kaum unterschied.
    »Und Sie haben nicht protestiert, Sir?«
    »Ich habe gekämpft wie ein Löwe. Ich hasse es, wenn über meinen Kopf hinweg verfügt wird. Aber man will auf den Kolibri nicht verzichten. Es ist mehr als eine Prestigefrage. Hinter dem Programm Galaxis steht ganz einfach die Überzeugung, daß zum Weiterleben der Menschheit die geplanten Neuen Expeditionen gehören, und die brauchen unsere Kolibris . Sie merken, ich habe mich überzeugen lassen.«
    In diesem Augenblick empfand ich fast so etwas wie Mitleid mit Harris. Er mochte überzeugt worden sein, aber als Pilot wußte er nur zu gut, wie es den Männern auf Espiritu Santu zumute war.
    »Es liegt also nicht mehr in meiner Hand, Sir?«
    »Nicht einmal in der meinen, Brandis, nicht einmal in der meinen. Wir machen weiter bis zur Serienreife. Und das wird sein, sobald wir den Fehler haben. Mit Geduld und Glück sollten wir es schaffen.«
    Ich stand auf. »Sieben tote Piloten, Sir, zeugen hinreichend von der Geduld. Aber auch von der Glücklosigkeit dieses Projekts.«
    Harris rührte sich nicht. Nur sein Blick hatte sich gehoben. »Was darf ich aus diesen Worten folgern, Brandis?«
    Das Mitgefühl mit Harris durfte mich nicht beeinflussen.
    Ich war mit einem festen Entschluß zur Tür hereingekommen, und es gab keinen Anlaß, diesen zu ändern.
    »Ich bitte um meine Ablösung, Sir.«
    Ich hatte nicht die Absicht, noch einmal nach Espiritu Santu zurückzukehren. Das Projekt mochte von der Regierung verantwortet werden; ich selbst hatte genug an der Verantwortung für zwei Verunglückte zu tragen. Mein persönliches Gepäck befand sich bereits in Metropolis. Ein letzter Kameradschaftsdienst stand mir freilich noch bevor: Burowski und Laura heirateten in wenigen Stunden. Das würde mein Abschiedsgeschenk sein.
    Draußen startete die Diana VIII. Eine Sekunde lang schien sie unfähig zu sein, sich von der Erde zu lösen. Zitternd stand sie auf einem orangegelben Feuerstrahl. Dann aber hob sie in plötzlicher Schwerelosigkeit ab und entschwand in den Wolken.
    »Sie bitten um Ihre Ablösung«, sagte Harris, »und ich antworte darauf: Nein.«
    »Sir«, sagte ich, kaum noch beherrscht, »das ist gegen unsere Abmachung! Dieser Kolibri ist ein menschenfressender Drachen. Ich ...«
    Harris erhob sich und fiel mir ins Wort.
    »Bitte hören Sie zu, Brandis, bevor Sie etwas sagen, was unwiderruflich ist. Geben Sie mir und sich selbst bis morgen früh Zeit. Ich kann auf Sie nicht verzichten. Und Sie: können Sie hundert Meter vor dem Ziel aufgeben?«

Kapitel 13
    Erst als sich alle Hochzeitsgäste im Hotel Europa zu einem Umtrunk zusammenfanden, bevor Burowski mit seiner jungen Frau zur Venus abflog, auf der er seine auf vierzehn Tage verkürzten Flitterwochen zu verbringen gedachte, kam ich dazu, mit Ruth O‘Hara unter vier Augen zu sprechen.
    Ruth stand noch ganz unter dem Eindruck der feier-lichen Trauungszeremonie, die in der neuen Kathedrale von Metropolis stattgefunden hatte – nach jenem eindrucksvollen Ritus, der sich nach dem Zusammenschluß der drei großen christlichen Konfessionen – der katholischen, protestantischen und orthodoxen – herausgebildet hatte. Seltsam, wie rasch die Auffassungen der Menschen sich zu ändern vermochten! Ein halbes Jahrhundert zuvor noch hatte man an die Stelle der Ehe so etwas wie eine freiwillige Bindung auf Zeit gesetzt; sehr rasch jedoch war man der vermeintlichen Freiheit überdrüssig geworden. Neuerdings stand die zweifach geschlossene Ehe bei den jungen Leuten wieder sehr im Ansehen. Unsere Philosophen sprachen von der Abnützung der technologischen Faszination und von der Heimkehr des Menschen nach innen.
    Ich selbst, obwohl ich als Trauzeuge fungierte, war mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache gewesen. Die Auseinandersetzung mit Harris wirkte in mir nach. Einerseits fühlte ich mich mißbraucht und unterdrückt, wenn ich dem Befehl gehorchte, andererseits war ich froh, dadurch der persönlichen Verantwortung enthoben zu sein.
    Als Burowski und Laura Seite an Seite vor den Altar traten, brach plötzlich der Himmel auf, und die gläserne Kuppel der Kathedrale erstrahlte in goldenem Glanz. Ein großartiger Augenblick.
    Die halbe VEGA nahm an dem Ereignis teil. Wohin ich blickte, erkannte ich bekannte Gesichter.

Weitere Kostenlose Bücher