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Mark Brandis - Testakte Kolibri

Mark Brandis - Testakte Kolibri

Titel: Mark Brandis - Testakte Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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der Nummer Neun parkte ihr großer Gerätewagen. Auch Osburg war erschienen, um die letzten Handgriffe zu überprüfen, bevor mir der Kolibri übergeben wurde.
    Als er mich erkannte, legte er die Checkliste aus der Hand und kam heran. »Normales Programm, Commander?«
    »Normales Programm«, bestätigte ich. »Ein Routineflug, um mit dem Wundervogel vertraut zu werden.«
    Osburg nahm die Brille ab und wischte sich den Schweiß aus den Augen.
    »Nach menschlichem Ermessen werden Sie keinen Ärger haben – aber das habe ich zu ein paar anderen Leuten auch schon gesagt. Und dann kam es anders.« Er wandte sich ab – ein Mann, der sich schuldig fühlte, obwohl er sich gewiß nichts vorzuwerfen hatte. Er war die Gewissenhaftigkeit in Person. Ich schwieg. An seiner Stelle hätte ich mich nicht weniger elend gefühlt. Worte des Trostes halfen da nicht weiter.
    Im Transporter wurde der kleine Lautsprecher lebendig. »Tower ruft Brandis, Tower ruft Brandis –«
    Ich streckte eine Hand aus und schaltete mich ein. »Brandis. Was gibt‘s?«
    Es war nichts, was mein Programm in Frage stellen konnte. Pieter Jordan kehrte zurück und bat um Landeerlaubnis. Über den Tower fragte er an, ob er mich vor meinem Start noch begrüßen könnte. Da ich nicht in Zeitnot war, sagte ich zu. Augenblicke später tauchte am anderen Ende des Platzes die kleine zweisitzige Komet auf und landete in einer Sandwolke. Ein Transporter brachte Jordan zu mir herüber.
    »Wie ich hörte«, sagte er nach den ersten Worten der Begrüßung, »haben Sie sich vorgenommen, den Stier bei den Hörnern zu packen. Vorsicht, Brandis! Diesen Bestien ist nicht zu trauen.«
    Pieter Jordan überragte mich um Haupteslänge: ein riesiger Neger mit blitzenden Zähnen in einem ebenholzschwarzen Gesicht.
    Der heitere Morgen verlangte eine heitere Antwort, auch wenn mir selbst kaum danach zumute war.
    »Böse Worte für einen sanften Kolibri , Jordan! Die Nummer Neun hat einen guten Charakter. Wir werden miteinander schon zurechtkommen.«
    Jordans gewaltige Pranke wischte unwirsch durch die Luft.
    »Das alles ist nur Verstellung! Glauben Sie mir, Brandis – von allen Maschinen, die ich je geflogen habe, ist das die niederträchtigste und gemeinste. Elegant, aber hinterhältig! Vergessen Sie das keinen Augenblick! Es könnte ihr letzter sein.«
    »Ich werde es beherzigen.« Mit diesen Worten setzte ich den Helm auf und ging an Bord. Nachdem ich meinen Platz im Cockpit eingenommen hatte, fuhr ich die Schleuse zu. Danach war es sehr still um mich her.
    Ich brauchte nicht zu hetzen. Zurückgelehnt, den Blick auf den Himmel gerichtet, der hinter den Bullaugen zu sehen war – tiefblau und wolkenlos, bereit, mich aufzunehmen in seine makellose Unendlichkeit –, ließ ich die Atmosphäre des Schiff es auf mich wirken. Sie war anders als an Bord der vielen anderen Schiffe, die ich bereits geflogen hatte: nüchterner, zweckmäßiger – aber keinesfalls feindselig. Es war die Atmosphäre eines mit höchster Präzision gefertigten Instrumentes für Solisten. Allenfalls fühlte ich mich von der Enge des Cockpits bedrängt; daran würde ich mich gewöhnen müssen.
    Ein komplizierter Mechanismus umschloß mich. Wenn ich ihn handhaben konnte – und das war schließlich mein Beruf –, durfte es, wie Osburg sagte, keinerlei Ärger geben. Andererseits sprachen fünf tödliche Unfälle dafür, daß ein unbekannter Fehler eingebaut war. Er konnte überall stecken – selbst dort, wo keiner ihn vermutete. Erst nachdem man ihn gefunden und beseitigt hatte, durften die Kolibris in Serie gehen.
    Die Gurte rasteten ein. Es war 07.59 Uhr Metropoliszeit. » Kolibri Neun . Ich bin klar zum Zünden, kann aber das Gelände hier nicht übersehen.«
    Der Tower meldete sich sofort. »Das Gelände ist frei, Kolibri Neun . Sie können zünden.«
    Ein Druck auf den roten Knopf, und das Triebwerk sprang an. Es arbeitete fast geräuschlos; nur ein leises Vibrieren war zu spüren, und das Laufband des Schubmessers setzte sich in Bewegung und zeigte Schwarz . Vor den Bullaugen verfinsterte sich der Himmel.
    » Kolibri Neun . Triebwerk gezündet, alle Anzeigen normal.«
    »Roger, Neun . Ihr Start ist frei.«
    Mir war auf einmal sehr heiß. Wahrscheinlich schwitzte ich, denn die Helmscheibe begann zu beschlagen. Einen Augenblick lang fühlte ich mich versucht, den Start zurückzustellen und eine Kontrolle der Klimaanlage zu verlangen. Zugleich jedoch wußte ich, daß die Klimaanlage völlig in Ordnung war.

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