Mark Brandis - Unternehmen Delphin (Weltraumpartisanen) (German Edition)
wieder still geworden, und Brandis wartete weiter auf die kurze qualvolle Hitze, mit der sich der Tod ankündigte.
Nun jedoch hörte er die beiden Polizisten zurückkehren, und er fragte sich, was das zu bedeuten hätte. Neben ihm blieben sie stehen und nahmen ihm die Handfesseln ab.
Einen Atemzug lang zögerte Brandis, bevor er sich umdrehte. Mit einer seltsamen Überschärfe nahm er eine Vielzahl von Veränderungen auf einmal wahr.
Das Exekutionskommando hatte Haltung angenommen. Neben einem olivgrauen Wagen mit dem Stander der VOR stand der kommandierende Offizier und prüfte gewissenhaft ein Schriftstück, das ihm offenbar von der uniformierten jungen Frau überreicht worden war, die zu diesem Wagen gehörte. Die Frau – die Rangabzeichen kennzeichneten sie als Major – blickte zu Brandis hinüber.
Die beiden Polizisten waren, nachdem sie die Handschellen gelöst hatten, erneut zur Seite getreten.
Die Frau nahm dem kommandierenden Offizier das Schriftstück aus der Hand, faltete es und verwahrte es in ihrer Brusttasche. Der Offizier salutierte. Die Frau kam quer über den Platz auf Brandis zu. In ihrer hellblauen Uniform, die aus der Werkstatt eines erstklassigen Damenschneiders zu stammen schien, wirkte sie elegant, grazil und vornehm kühl.
»Commander Brandis«, sagte sie in fließendem Metro, »ich bin Major My-Lang. Mein Befehl lautet, Sie auf dem schnellsten Wege ins Verteidigungsministerium zu bringen. Der Minister wünscht Sie kennenzulernen.«
Der Umschwung kam zu unvermittelt. Eben noch war Brandis ein Mann gewesen, der mit dem Leben abgeschlossen hatte. Er brauchte Zeit, um aus der kühlen Ruhe, der er sich bereits ergeben hatte, in diese neue lebendige Wirklichkeit zurückzufinden.
Er wollte etwas sagen, doch alles, was er hervorbrachte, war ein Schlucken.
Die Majorin deutete es richtig. »Das Urteil des Tribunals ist aufgehoben. Es erging voreilig und ohne Prüfung des genauen Sachverhalts. Die daran Beteiligten werden zur Verantwortung gezogen. Betrachten Sie sich als ein willkommener Gast der Vereinigten Orientalischen Republiken.« Die Majorin streckte Brandis die Hand hin.
Dieser knappe, herzliche Händedruck weckte Brandis aus seiner Betäubung auf. »Ich stehe Ihnen zur Verfügung«, sagte er.
Auf einmal spürte er wieder den Regen im Gesicht und die dumpfe Nässe seiner Kleider. Es war wie ein unverhofftes Geschenk. My-Lang lächelte. »Ich weiß, worüber Sie sich jetzt wundern, Commander. Sie haben recht: Das ist nicht der übliche Monsun-Regen. Wie Sie vielleicht wissen, sind wir allenthalben in Asien damit beschäftigt, das Klima zu verändern, um die Ertragsfähigkeit der Böden zu steigern. Dieser Regen gehört dazu.«
Brandis nickte stumm. Er war der jungen Frau für ihr Geplauder dankbar. Es half ihm aus seiner verkrampften Haltung heraus.
»Wenn es Sie interessiert«, sagte die Majorin, »werde ich Ihnen gern mehr über dieses Projekt erzählen. Aber im Augenblick schlage ich doch vor, daß wir den Minister nicht warten lassen.«
»Ja«, sagte Brandis, »ja, Sie haben recht.«
Er folgte ihr hinüber zum Wagen, und der uniformierte Fahrer riß für sie den Schlag auf. Die Luft im Wagen war angenehm warm und trocken. Der Fahrer nahm seinen Platz ein und startete den Motor. Mit gedämpftem Fauchen hob sich der Wagen an, wendete auf der Stelle und schwebte rasch auf das geöffnete Tor zu.
Der Regen wurde schwächer, und durch die Wolken brach hell und heiß die Sonne.
»Sehen Sie, Commander«, sagte My-Lang, »es klart schon auf. In der Verbotenen Stadt blühen jetzt die Kirschbäume. Es wird Ihnen gefallen. Peking im Frühling ist mit das Schönste, was es auf dieser Erde gibt. Ich hatte es anfangs nicht glauben wollen.«
Brandis wischte sich die Nässe aus den Augen. »Das klingt, als wären Sie nicht von hier«, sagte er.
»Ich bin aus Vietnam«, antwortete die Majorin. »Waren Sie je dort?«
»Nein«, sagte Brandis. »Wie?«
»Richtig!« sagte die Majorin. »Es war eine törichte Frage. Aber vielleicht läßt es sich irgendwann einmal einrichten. Ich bin überzeugt, daß es auch bei Ihnen genug Menschen gibt, die den Frieden wollen.«
»Doch«, sagte Brandis, »die gibt es.«
Er warf einen Blick aus dem Fenster. Peking war eine atemberaubende Stadt, ein kühnes Gegenstück zu Metropolis: Glas, Kunststoff und Beton, eingebettet in Gartenanlagen und Grünflächen. Der Verkehr auf den Straßen war gering. Wahrscheinlich hatte man ihn unter die Erde verlegt: ein
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