Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
bleibe es bis zum Ende der achten Klasse.
In dieser Zeit war ich mit einem Schulfreund auf einem Bauernhof. Seine Familie lebte dort in den Ferien. Der älteste Sohn des benachbarten Bauern hatte schon mit 16 Jahren ein kleines Motorrad. Er erlaubte mir, ein paar Runden auf dem heißen Gefährt zu drehen. Er hatte ein paar Runden auf dem Hof gemeint. Ich dagegen düste durch die Einfahrt und drehte meine Runden auf Feldwegen bis kurz vor die Tore des nächstens Dorfes. Das war zu viel. Nicht nur, dass man sich Sorgen um mich machte, es war wie ein Tritt in den Hintern für den jungen Burschen. Als ich unversehrt zurückkam, wurde ein riesiges Drama daraus gemacht. Klar, der Junge hatte sich auch um sein Motorrad gesorgt. Für mich war dies aber die Begegnung mit der Realität, die ich nicht beeinflussen konnte. Umsonst beteuerte ich, den Satz „Fahr halt mal eine Runde“ falsch verstanden zu haben. Lag es daran, dass ich nie zufrieden war mit dem, was vorgegeben wurde? „Ja, Markus nimmt gerne mehr als nur den kleinen Finger, der ihm gereicht wird.“ Das höre ich damals oft.
Das war auch die Zeit, in der ich damit anfing, ganz besonders viel Schokolade zu mir zu nehmen. Nach einer Woche auf diesem Bauernhof wurde meiner Mutter die Botschaft überbracht, dass es günstig wäre, wenn ich nicht zwei Tafeln Schokolade täglich essen würde. Das sei meiner Gesundheit nicht zuträglich und irgendwie anzüglich. Ich weiß nicht genau, warum meine Mutter keine Konsequenzen daraus zog. Sie hat sich auch keine Hilfe gesucht. Oder doch? Ich lernte jedenfalls parallel dazu, dass mich „Abgeben“ glücklich macht: Ich habe immer die eine Hälfte meiner Schokolade verschenkt, denn wenn ich in die strahlenden Gesichter der Beglückten schaute, schmeckte mir meine Schokolade gleich noch einmal so gut. Das ist bis heute so geblieben.
Gleich mit dem Beginn der neunten Klasse passiert mir ein Doppelfehler: Ich trenne mich von meinem alten Klassenverband, weil ich mir einrede, die Klassenkameraden entsprächen nicht meinem Niveau. Zudem verschmelze ich vollends mit meinem besten Freund, der ebenso blitzgescheit ist wie ich, zu einer Blutsbrüderschaft pubertierender Schlaumeier. Und jetzt kommt der Knüller: Nach einer Woche in der naturwissenschaftlich geprägten neuen Klasse passen mir die Gesichter der Schüler plötzlich nicht mehr. Meinem Freund passen sie noch weniger. Wir bitten darum, gemeinsam in eine Französischklasse wechseln zu dürfen. Die Strafe folgt auf dem Fuß: Das ist die Klasse, in der mein zukünftiger Drogendealer sitzt, außerdem zwei weitere Menschen, die ich sehr lieb gewinne. Ich weiß nicht, wo sie begraben sind. Ihr Leben ist mit Mitte Zwanzig zu Ende gegangen.
„Markus, lass die Finger von dem, was eine Nummer zu groß für dich ist.“ In vielerlei Hinsicht steckt in dem Blick meines Hundes mal wieder viel Weisheit. Mit dem ersten Rausch in der neunten Klasse befinde ich mich schlagartig im Hamsterrad meiner Selbstbezogenheit. Alles wird wieder so mühselig wie schon in der Grundschule. Ich verliere meinen Fokus und die Freude am Lernen.
Lektion Nummer eins: Ich kann hier nur von mir berichten und den Konsequenzen, die sich für mein Leben daraus ergeben haben. Aber bitte, liebe Leser und Leserinnen: Wenn Sie merken, dass Ihre Liebsten in der Schule in Kontakt mit Drogen kommen, setzen Sie alles daran, den Dealer ausfindig zu machen. Er ist dumm und gefährlich. Schalten Sie sich ein und ihn aus. Ihre einzige Chance liegt vielleicht in der Offenheit gegenüber Ihrem Kind. Seien Sie fantasievoll. Richten Sie ihm ein Studienkonto ein, zeigen Sie ihm, dass Sie bereit sind, in seine Zukunft zu investieren und an seine Zukunft zu glauben. Zeigen Sie Ihrem Kind die Kontoauszüge, auch wenn nur ein paar Euro drauf sind. Reden Sie vom Sterben vieler Drogensüchtiger.
Lektion Nummer zwei: Zeigen Sie Ihrem Kind mein Buch und sagen Sie: „Du hast die Wahl. Markus ist an dem Punkt angekommen, an dem er dieses Buch schreiben musste. Er ist in die Offensive gegangen. Er ist kein Held. Mein Kind, hilf mir, deinen Dealer auf frischer Tat zu ertappen. Ich nehme dich zur Not von dieser Schule. Freu dich auf dein Studium oder deine Ausbildung. Auf diesem Konto werde ich zurücklegen, was mir möglich ist. Mach du es besser als Markus!“ Schützen Sie Ihr Kind, am besten schon vorher mit aller Liebe, die Sie aufbringen können.
Lektion Nummer drei: Bei mir ist einiges schiefgelaufen. Meine Maßlosigkeit und
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