Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
sind beim Film und nicht beim Kommiss! Aber er ist nun mal der Regisseur, und ich muss mich arrangieren. Ich schaue etwas entrüstet und lasse eine beschwichtigende Bemerkung fallen. Ein großer Fehler von mir! Die nächste „Watschen“ bekomme ich. Wenn ich in solchen Momenten den Ärger runterschlucke, bekomme ich Probleme mit dem Magen. Besser wäre es, meine Meinung zu sagen, und zwar in angemessener Art und Weise. Aber wer kann das schon? Nun, für einen süchtigen Menschen ist zum Beispiel ein angemessener Ton sogar unumgänglich – andernfalls verselbstständigt sich gerne mal ein handfester Streit.
Nur die Ruhe? Das schaff ich nicht so ohne Weiteres. Zum Schutz kapsele ich mich in meiner drehfreien Zeit ab. Frau und Kind sind glücklicherweise mit dabei auf dieser famosen Weltreise (Vietnam, Thailand, Sri Lanka, Indien, Malediven und Papua-Neuguinea), und zusammen genießen wir die Faszination von Urwald, Inselwelten und Meeresrauschen. Wir können ruhig dankbar sein für diesen tollen Ausflug! Das bisschen Arbeit! Aber ausruhen muss ich trotzdem. Ich schlafe viel auf dieser Reise. Meine ganz persönliche Schusseligkeit ist ja immer dann besonders präsent, wenn ich entspanne. Doppelfehler! Ich komme mehrmals zu spät zu privaten Verabredungen mit dem Regisseur. Verschlafen! Er sucht den Kontakt mit mir, ich aber nicht mit ihm. Schließlich wird es ihm zu blöd, und so schnauzt er mich bei einem Teamausflug vor versammelter Mannschaft an. Recht hat er! Nur immer feste draufhauen. Wie heißt es in einem polnischen Volkslied meiner Vorfahren so schön: „Was uns nicht kaputt macht, macht uns härter!“
Ein Persönlicher Angriff vor versammelter Mannschaft? Darauf habe ich keine gute Reaktion parat. Ich drehe ihm den Rücken zu und springe von Bord. In diesem Moment sind wir nicht auf der MS Deutschland. Es ist nur ein Ausflugsschiff, und wir befinden uns noch im Hafen. Trotzdem, das ist gefährlich und dumm. Ich schäme mich und spüre, wie mein Suchtdruck steigt. „Bitte nicht. Ich möchte es schaffen!“, bete ich. Aber die Zeit ist nicht reif für Genesung. Die darauffolgenden Wochen auf See und in vielen exotischen Ländern sind gekennzeichnet von einem stetigen Zermürben meiner selbst. Ich trinke heimlich und werde von der Scham darüber regelrecht aufgefressen. Es ist einfach nur entsetzlich, dieser Zustand. Ich bilde mir ein, dass Barbara und Julius davon nichts spüren. Ich mache einfach meine Arbeit, und es ist so heiß, dass wir versuchen, wenigstens einen kühlen Kopf zu bewahren. Das funktioniert ein paar Tage. Der Papua-Dreh dauert lange. Wir fliegen im Anschluss die direkte Strecke nach Sydney und genießen als Familie ein wenig „Down Under“. Ich kann mich für einige Tage an die Erinnerung krallen: „Bad Zwischenahn und die Treffen der Menschen, die das gleiche Problem haben wie ich.“ Der nächste Dreh ist in Südafrika (mal wieder eine lustige Werbung). Barbara und Julius sind immer noch mit dabei. Der Flug über den Südpol wird zu meinem erneuten Rückfall: 16 Stunden Flug, ich spüre den Alkohol in meinen Adern schier explodieren. Ich habe das Gefühl, ich muss sterben. Dann Ankunft in Südafrika, Arbeit, Familie. Ich reiße mich zusammen, was auch funktioniert – mit Ach und Krach. Wir erleben spannende Safaris und Ausflüge zwischen den großen Meeren: Arktischer Atlantik und Indischer Ozean. Cape Hope am „Ende der Welt“ macht mich sprachlos und mahnt mit seinem stürmischen Wind zum Handeln. Ich werde klar. Zurück in Berlin, suche ich nach der Gruppe, die sich mir in mein Hirn eingebrannt hat. Ich finde sie im Gemeindehaus einer Kirche. Die Gemeinschaft von Süchtigen nimmt mich auf. Ich versuche meinen sogenannten Promi-Status auszublenden. Schwierig. Erfahrung, Kraft und Hoffnung werden mir geschenkt – endlich ein Lichtblick!
Dann kommt mir ein Engagement beim „Perfekten Promi-Dinner“ in die Quere. „Mir ist nicht nach Siegerlaune!“ Die Anfrage war noch vor dem „Traumschiff“-Dreh reingekommen. Ich hatte unterschrieben und musste wenige Wochen nach unserer Ankunft aus Afrika den perfekten Gastgeber spielen. „Bin ich wirklich krank?“, frage ich mich. Der Wunsch, abstinent zu leben, ist da. Meinen Tiefpunkt habe ich aber noch nicht erreicht. Für die Sendung kaufe ich den besten Wein, den ich kenne, und schenke ein. Ich selbst trinke keinen Schluck. Ich improvisiere ein karibisches Menü. Ich will nur, dass es vorbeigeht, und gewinne völlig
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