Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
Regeln oder indem sie anderen gute Ratschläge erteilen. Ein Leben ohne Drogen ist möglich. Alkohol ist eine Droge.
Es gibt Menschen, für die ist Alkohol oder der gelegentliche Genuss von leichten Drogen eine Option und gehört sogar zu ihrer Lebensqualität. Ich respektiere diese Menschen. Viele meiner Freunde trinken gemäßigt. Ich gönne es ihnen. Ich bin kein besserer Mensch, weil ich nicht mehr trinke und keine Drogen konsumiere. Ich bin kein Moralapostel. Aber in Bezug auf mich selbst geht es dabei definitiv um Leben oder Sterben. Das macht die Sache manchmal etwas unentspannt. Ich verstehe, wenn die eine oder der andere denkt: „Ganz schön kompliziert!“ Menschen, die betroffen sind, können vielleicht etwas von meinen Geschichten mitnehmen.
Ich habe mir selbst eingestanden: „Es ging nichts mehr mit den Drogen und nichts mehr ohne sie. Ich habe mich der Fürsorge Gottes anvertraut. Er hat mich in meine erste Gruppe geführt und mir gezeigt, dass andere es schaffen können. Wenn ich ihrem Beispiel folge, kann ich geduldig mein Leben ordnen und ein nützliches Mitglied der Gesellschaft sein.“ Nur unter diesen Vorzeichen konnte ich dieses Buch schreiben: keine bewusstseinsverändernden Substanzen einnehmen, nüchterne Betrachtungsweise üben und die Füße stillhalten. Ich durfte schließlich auch meinen Vater loslassen, indem ich mich meinen Freunden anvertraute. Der Schmerz hatte sich quasi in meinem Konsumverhalten verklemmt. Ich erzählte davon an den Tischen. Das habe ich so lange getan, bis der Schmerz milder wurde. Die Wut und die Angst vor dem Versagen durfte ich loslassen und die Wertschätzung von jedem einzelnen Sandkorn in meinen Schuhen. Ich wurde fähig, Gelassenheit zu üben. Ich spüre, dass ich nicht der einzige Mensch im Universum bin, der Probleme hat. Ich bleibe im Heute und versuche, mich ernst, aber nicht wichtig zu nehmen.
Ich habe gelernt, so zu handeln, dass sich mein Leben gut anfühlt. Als Kind der Sechzigerjahre bin ich in eine Zeit geboren, in der die Auffälligkeit eines Kindes eher auf Anpassungsschwierigkeiten zurückgeführt wurde. Ich konnte mich schwer anpassen und ich war langsamer als andere Kinder. Mein Innerer Schweinehund lachte mich früher aus: „Du kannst Maß halten? Geht nicht!“ Stimmt. Höchstens mit täglichem Beten. Ehrlich, ohne Schmu! Ich muss immer mal wieder meinen persönlichen Tiefpunkt erreichen. Unten ankommen und sehnsüchtig nach oben schielen. Das kann ich.
Schauen wir noch ein Mal spielerisch zurück: In einem Traum sitze ich neben dem Gott Bacchus und brülle: „Heute üben wir kontrolliertes Saufen, bis der Arzt kommt!“ Ich nehme meinen Kopf ab und halte ihn in die Runde. „Unser Motto: prall bis zum Anschlag. Und dann zurück auf ‚Los‘.“ Es wird sehr aufregend. Die Reise wird zur Achterbahnfahrt, die mir Angst macht. Der Traum endet auf dem Olymp, wo Zeus den Kopf schüttelt und mir meine Autoschlüssel wegnimmt. Ich wundere mich, da ich eigentlich der Meinung bin, mit einem Schlitten unterwegs zu sein. Dieser Traum ist wie eine feinstoffliche Erinnerung. So etwas wird man nicht so schnell wieder los. Und dabei ist der noch harmlos.
Seit ich abstinent lebe, kommen die unglaublichsten Suchtverlagerungen zutage. Meine Freunde beruhigen mich, das sei völlig normal. „Na dann!“, sage ich mir, „dann lass ich es krachen!“ Ich bin jetzt erster Vorsitzender im Jo-Jo-Fanclub. Der Verein heißt „R&R“, „Rauf und Runter“. Ich bin ganz oft so etwas wie ein wandelndes Schlachtschiff mit automatischer Selbstversorgung unter Deck: Schokolade in der Hose, Schokolade im Mund, Schokolade auf der Hüfte. Süchtig. Durch und durch. Am allerschlimmsten ist es mit der Schokolade und mit Eis. Und mit Gänsebraten, Spaghetti, Bratkartoffeln, Wiener Schnitzel, Vitello Tonnato, Pizza, Lasagne, Kaiserschmarrn und Gummibärchen. Und Knödel. Kloß mit Soß! Klopse, Klöße – egal, wie man es nennt: Dafür gehe ich an meine Grenzen.
Ich habe mir früher immer gesagt: Wenn ich meine Schnürsenkel mal nicht mehr zubinden kann, dann bin ich zu fett. Aber jetzt kommt’s dicke! Aufgepasst: Eines Abends kurz vor Weihnachten. Ort des Geschehens: mein Lieblingsrestaurant. Ich sitze vor dem mittlerweile siebenten Gänsebraten in diesem Jahr. Schön regelmäßig seit Mitte Oktober einmal die Woche: Gänsebraten mit Knödeln, Grünkohl und Rotkohl. Ich esse brav auf, zahle und schleppe mich vollkommen erschöpft nach Hause. Ich schaffe es
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