Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
gekippt und hatte sich zwei Rippen gebrochen. Und ich begreife nach zwei Wochen, dass ich nicht allein bin auf dieser Welt, ich bin nicht der einzige Trottel, der zwar tausende von Menschen mit seiner Anwesenheit verzücken kann, aber nicht unbeschadet durch seine Freizeit kommt, dafür ist er einfach zu abwesend, verschusselt, zu sehr in seinem Innern, bei seinen Träumen. So, damit ist alles gesagt und ich fahre fort ... Warten Sie – richtig! Mit dem Erwachsenenleben.
4 | Meine Kapitulation —
Der Wendepunkt in meinem Leben
Als ich meine Frau Barbara an Neujahr 2000 auf den Malediven kennenlerne, spüre ich Hoffnung. Ein Leben ohne Drogen rückt in greifbare Nähe. „Für diese Frau bleibe ich am Leben. Und ich tue mir selbst den Gefallen“, denke ich. Barbara weiß sofort Bescheid. Ich verheimliche ihr meinen Zustand nicht. Ein Jahr später betrete ich die Klinik, in der ich zum ersten Mal den aufrichtigen Wunsch verspüre, etwas gegen meine Krankheit zu unternehmen. Die kommenden acht Jahre wird mich eine Sozialtherapeutin begleiten, die mir mein unendlich kluger Hausarzt vorstellt. Die Dankbarkeit, die ich für diese beiden Menschen empfinde, kann ich nicht beschreiben. Barbara und ich sind immer wieder gemeinsam zu Gesprächen in den Praxisräumen von beiden Ärzten. Jeden Monat ein- bis zweimal. Das ist immer noch zu wenig. Acht Jahre brauche ich, um Mut zu fassen und meine erste Gruppe zu besuchen. Die Gruppen, von denen ich hier nur andeutungsweise erzählen werde, werden mich den Rest meines Lebens begleiten. Ich werde an ihren Tischen sitzen bleiben müssen. Doch zunächst folgt die Beschreibung eines verrückten, geliebten Lebens.
Ich kann einfach nicht morgens um sieben aufstehen, es geht nicht. Ich sitze nach meiner Theaterarbeit nachts meistens in der Küche und esse Pasta und Schokoladeneis. Anschließend bin ich bis zwei Uhr morgens beschäftigt, meistens sinnvoll: schreiben, lesen oder einen guten Film gucken. Um sieben Uhr morgens schlafe ich noch. Wenn ich trotzdem aufstehen muss, gerate ich in einen Strudel von Unfällen, Verwirrungen und Fehlern. Das kann der liebe Gott so nicht gewollt haben.
Ein Tag im November. Ich bin früh aufgestanden. An diesem Tag komme ich von der Arbeit und sehe auf der Straße, wie meine Nachbarskinder sich gegenseitig mit Kastanien bewerfen. Einige Kastanien fliegen gegen die parkenden Autos, einige über den Gartenzaun. Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang, auch wenn er mir nicht gefällt und auch wenn ich die Kinder gut kenne – wir spielen oft zusammen Fußball auf der Straße. Ich bin müde. In meiner Wohnung angekommen, bemerke ich, dass meine Wohnungsklingel Sturm läutet. Es ist Halloween, die Kinder wollen Süßigkeiten. Ich habe keine im Haus. Das Klingeln hört nicht auf. Ich gehe zurück auf die Straße und pule einen Kaugummi aus dem Klingelbrett. Das war die Ursache für das Sturmklingeln. Wieder in der Wohnung angekommen, beginnt das Spiel von vorne. Ein echtes Naturereignis nimmt seinen Lauf. Ich koche innerlich, renne hinunter, erinnere mich an die Kastanien im Garten, bekomme sie im Kies zu fassen. Während die Hand über meinem Kopf für eine Tausendstelsekunde zum Stillstand kommt, jagen die Gedanken durch mein Hirn: „In deiner Hand sind Kastanien und kleine Kieselsteine, Markus. Das kannst du nicht machen!“ Alle Einwände werden beiseitegeschoben. Ich hole aus, spüre die Kraft meines Impulses weiterwirken. Ich werfe und treffe. Gleichzeitig komme ich am Klingelbrett an und kratze den Kaugummi wieder heraus. Ich bereue, was ich gerade getan habe. Die Kinder grölen – eine Schlacht beginnt! Das kennen sie. Ich werde diese Art von Humor niemals begreifen. Muss ich aber auch nicht. Ich renne auf die Straße und auf die Kindern zu. Sie sehen den Zorn in meinem Gesicht, damit haben sie nicht gerechnet. Ich klingele bei den Eltern und fauche: „Bringen Sie bitte Ihren Kindern Respekt vor der Privatsphäre anderer Menschen bei.“ „Papa, Markus hat mit Steinen nach uns geworfen!“ „Moment, was ist hier los, Herr Majowski?“ Ich antworte nicht. Ich lasse die versammelte Mannschaft meiner Fußballkameraden und den Vater stehen.
Die Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung kommt ein paar Wochen später ins Haus. Ich versuche, mich zu entschuldigen. Der Vater ist nicht milde gestimmt. Ich akzeptiere eine Verurteilung in Abwesenheit. Obwohl die Kinder keine Verletzungen davongetragen haben, ist das Verfahren fair ausgegangen.
Weitere Kostenlose Bücher