Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
gerade noch an den Computer und schlafe auf der Stelle ein. Meine Frau macht im Nebenzimmer Yoga. Mein Sohn kommt rein, stutzt und sagt: „Papa! Wenn du noch dicker wirst, verkaufe ich dich nächstes Jahr als Schlauchboot, gute Nacht!“
Das rüttelt mich auf. Ich gehe in mich, ganz liebevoll und sanft. „Liebe Freunde! Ich brauche eure Hilfe. Nur für heute möchte ich es bleiben lassen. Nur für heute möchte ich mich meiner Maßlosigkeit nicht weiter hingeben.“
Genau das schreibe ich an meine Pinnwand bei „Facebook“. Ich habe auf einen Schlag zwanzig neue Freunde. Einige der alten Freunde klopfen mir so liebevoll wie nur möglich digital auf die Schulter. Es ist der Tag, an dem mal wieder alles anders wird. Auftritt: K.! Mein zukünftiger weiblicher Body-Coach hat meine Nachricht gelesen und meint, sie kann mir helfen. Sie eröffnet ein Online-Behandlungszimmer, eine Majowski-Suite im Chatroom. Virtuell und nur für mich. Das ist wie mit den Kühen bei FarmVille auf „Facebook“, wenn Sie das kennen. Nur muss ich nicht gemolken werden, lediglich artgerecht gefüttert. K. schafft es, dass ich wieder Spaß am normalen Essen habe. Ich habe das Gefühl, ein glücklicher Mensch zu sein. Nach sechs Monaten Online-Kur muss ich darüber reden: „Mein Name ist Markus und ich bin seit heute Morgen um sieben Uhr – und das, um es auf den Punkt zu bringen, ist mir nicht leicht gefallen – wach. Und ich sage Danke. Danke!“
Ich habe es geschafft! Dieses Body-Coach-Programm – mein lieber Scholli – halte ich fast ein Jahr lang durch. Und es fühlt sich so gut an! Ich ackere mich wie ein einsamer Wolf durch das wüste Strauchwerk von bislang totgeschwiegenen Kräutern wie Bibernelle, Wermut, Schafgarbe, Wacholder, Anis, Fenchel und Kümmel. Ich durchzittere eine komplette Nahrungsumzingelung. Keine Kuhmilch mehr, nur noch Soja – eine Revolution in meinem Kühlschrank! Und als Krönung eine mit Fischgeschmack gesättigte Entgiftung auf der Grundlage von Süßwasseralgen aus Oregon.
Danke, K.! Ich habe auch heute Morgen um sieben, ganz nach deiner Anleitung, als Erstes eine Tasse Heißwasser mit Ingwer getrunken. Danach musste ich mich erst mal wieder hinlegen. Aber nach zwei Stunden war ich endgültig wach. Das ist ein echter Fortschritt, denn ich habe mich nicht verletzt oder irgendetwas umgeworfen. Dann die ersten drei Süßwasseralgen gelutscht. Ein doppelter Espresso, dazu Pinienkerne. Neun Uhr dreißig: wieder eine Tasse Heißwasser. Frühstück: 500 g Sojajoghurt mit über Nacht eingeweichtem, geschrotetem Leinsamen. Halber Apfel, halbe Birne (beides mit Schale), halbe Papaya (einige Papayakerne dazu, die sind das schwarze Gold der Tropen und gut für den Magen), halbe Mango, eine Handvoll dunkler Trauben. Dazu: Walnussstückchen, Sesam, gehackte Mandel, etwas geraspelter Kokos, ein Teelöffel Leinöl. Elf Uhr dreißig: dritte Tasse Heißwasser mit Ingwer. Wichtig: bis zwölf Uhr mittags insgesamt zwei Liter stilles Wasser trinken. Spätestens dreizehn Uhr dreißig die zweiten drei Süßwasseralgen lutschen. Anschließend Mittagessen: eine große Portion Pasta (ohne Ei) mit etwas angebratenem Hühnerfleisch oder Ähnlichem. Dazu gegarten Broccoli und/oder gedünstetes Gemüse. Kein Salat. Zum Essen nichts trinken! Wichtig: kleines Dessert! Sechzehn Uhr, Option: Doppelter Espresso und zwei Stückchen dunkle Schokolade (15 g). Siebzehn Uhr, Zwischenmahlzeit: Nüsse. Die dritten drei Süßwasseralgen lutschen. Wieder eine Tasse Heißwasser mit Ingwer. Nach achtzehn Uhr keine Algen mehr! Vor zwanzig Uhr: etwas Fisch. Zweiundzwanzig Uhr dreißig: Ohne Zwischenfälle durch den Tag gekommen. Bettruhe.
Ich nehme ganze dreißig Kilo ab. Aber ich habe wieder angefangen zu trinken! Ganz übel. Ich hänge an der Flasche! Ich trinke täglich. Nämlich Wasser – am liebsten stilles. Leitungswasser, Quellwasser, Heilwasser – ist piepegal! Hauptsache still! Täglich vier Liter! Alles für die Schönheit. Ich meine, für die Gesundheit. Egal. Aber können Sie sich vorstellen, was das für mich auf Tournee bedeutet? Busfahren? Horror! Ich hab das Gefühl, mein Body-Coach ist mit den Herstellern dieser wasserlosen Urinale auf den Autobahnrasthöfen verbandelt. Es ist wie verhext: Alle zwanzig Minuten muss ich rechts raus und siebzig Cent abdrücken. Und jetzt kommt der Knaller: Mit der Quittung vom Pinkeln bekomme ich auch noch Nachlass beim Einkaufen! Und was mache ich? Ich kaufe Süßigkeiten. Schleckkram. Der
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