Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
im Zimmer. Meine Mutter ruft per Telefon den Concierge. Doch plötzlich steht ein bewaffneter Trupp der Militärpolizei vor unserer Tür. Sie stürmen das Zimmer und versuchen emsig, das winzige Tier zu fangen. Als es auf den Flur entwischt, rennen sie mit ihren Gewehren im Anschlag hinterher. Wir können unser Lachen kaum unterdrücken. Das Ganze hat einen ernsten Hintergrund: Es ist eine unruhige Zeit, nicht nur in der heiligen Stadt. Im Grenzgebiet gibt es Kriegshandlungen. Jerusalem ist eine zerrissene Stadt. Das Bewusstsein, an der Klagemauer zu stehen und beten zu dürfen, beflügelt mich. Auf dem Weg die Via Dolorosa entlang bis Golgatha dringen die Worte von Pater Wilms in mein Herz. Ich bin dankbar, dass ich dies erleben darf.
An einem unserer letzten Tage im Land lernen wir durch Pater Wilms auch Pater Andreas kennen. Er leitet in Jerusalem die Kraftfahrzeugwerkstatt des Ordens. Zum Abschied sagt er zu mir und meinen Eltern, ganz direkt und ohne irgendwelche Umschweife: „Wenn Markus hier in Jerusalem bleiben möchte, dann ist er willkommen. Überlege es dir genau, Markus, denn ich habe das Gefühl, ein Teil von dir gehört schon jetzt zu uns und zu unserem Herrn. Wir können für deine Ausbildung sorgen und schenken dir den dringend nötigen Ausgleich, nach dem deine Seele verlangt. Eines Tages wirst du wissen, wo dein Platz ist – egal, wie du dich heute entscheidest – deine Heimat ist bei Gott.“ Ich entscheide mich, nicht in Israel zu bleiben.
Damals wirken die Gedanken, die sich mit der Bestimmung des Menschen zu Höherem beschäftigen, wie Felsen auf mich. Manchmal denke ich, wie fatal es doch war, dass ich nicht in Israel geblieben bin. Ich könnte heulen deswegen! Dann wieder bin ich unendlich dankbar, dass Gott mich mein Ding hat machen lassen. Und auch darüber könnte ich heulen. Das ist wirklich albern. Ich bin ein allzeit bereiter Bernhardiner, der sich seiner Fähigkeiten bewusst wird, der aber gleichzeitig eine plötzliche Schwere am Leib entwickelt, nicht in Bewegung kommt und immerzu heulen will. Das geht aber so nicht! Ich hab den Eindruck, diese Erkenntnis kommt mir damals sozusagen als Baby-Bernhardiner während eines Rettungseinsatzes im Hochgebirge. Ich wollte damals die Welt retten, wollte einer der unzähligen Knappen im Heereslager der Ritter sein. Und dann ging es nicht los. Es hat sich in meinem Herzen kein Anführer gefunden. Gott schwieg, wenn ich wachte, und sprach, wenn ich schlief. Träume suchten mich heim, in denen alles überlebensgroß erschien. Ein Schlüsselloch tauchte immer wieder auf, durch das ich spähte und durch das ich hindurch wollte. Doch dafür war nun wieder ich zu groß. In einem anderen Traum schleppte ich einen riesigen Schlüssel mit mir herum, den ich kaum halten, geschweige denn, dass ich ihn in das Schloss hinein hieven konnte.
Die Ziele, die ich damals mit etwa 15 Jahren habe, sind unendlich hochgesteckt. Ich bekomme Angst vor dem Versagen. Ich spüre immer wieder diese unbändige Kraft in mir aufkeimen, wenn ich etwas erreichen will. Die ist stark. Auch die Fähigkeit, zu manipulieren. Und die Frechheit, mir einfach zu nehmen, was ich will. Daraus entspringt meine Kraft für den Beruf des Schauspielers. Und dort liegt wiederum in der Reduktion, im Minimalismus die wahre Profession. Wenn ich die Essenz einer Figur oder einer Geschichte erlebe, muss ich sie aufschreiben. Sonst geht sie mir verloren. Eine Inspiration kommt mir immer, wenn ich im Chaos des Schaffens eine Struktur erkenne, ein Muster. Das habe ich mir bei meiner Glaubensfindung abgeguckt. Was andere Menschen als Argument anführen gegen den christlichen Glauben, bestärkt mich gerade, da ich die Muster der Vernunft und Wissenschaft direkt auf Gott zurückführe und nicht auf das Genie des Menschen oder ein unabhängiges Schaffen der Evolution. Das verursacht natürlich bisweilen eine gewisse Ehrfurcht. Manchmal komme ich mir wie ein Geisterjäger vor, da um mich herum Menschen existieren, die keinen Glauben haben. Ich wende mich nicht von ihnen ab, sondern ich versuche sie zu verstehen. Wenn ich so etwas wie eine Überreaktion auf „Andersdenkende“ empfinde, dann versuche ich ein paar Tage zu warten. Es wird immer milder mit der Zeit, und ich bekomme immer die Chance, meine Perspektive für ein paar Augenblicke zu verändern. Dann spüre ich Klarheit. So zum Beispiel konnte ich bis vor ein paar Tagen nicht begreifen, wie man die Olympischen Spiele gutheißen kann, wenn an
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