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Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)

Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)

Titel: Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Majowski
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ihnen Nationen teilnehmen, die sich im Krieg befinden. Durch den Dialog mit meiner Lektorin wurde mir klar, dass in dem Tolerieren dieses Umstandes gerade die olympische Botschaft verborgen sein kann. Indem wir innehalten und die sportlichen Spiele als Gemeinsamkeit und Verständigung wahrnehmen, hebeln wir die Grausamkeit des Krieges aus. Das ist für viele Menschen eine Quelle der Inspiration, eben weil sie ihre Perspektive ändern und vermeintliche Gegner im Sinne des olympischen Gedankens zu ihrem Sieg beglückwünschen können.
    Meinen Sohn Julius erlebe ich heute als eine Quelle der Inspiration. Unsere Gutenachtgeschichten sind ein spannendes Ritual. Nicht nur die Abenteuer vom „Fischermann Modjo und seinem Sohn Mütze Rocco“ entstehen beim Taschenlampenlicht. Eines Abends versuchte ich, ihm von der Eroberung und Befreiung Jerusalems zu erzählen. Das Erste, was mir einfällt, ist eine Geschichte, die nichts mit dem Töten von Menschen zu tun hat. Die Erinnerung an eine kampflose Übergabe der Stadt manifestiert sich in meiner Erzählung. Zwischen Al-Kamil, dem muslimischen Führer eines gewaltigen Heeres, und dem Kreuzritter König Friedrich II., Anführer der christlichen Heerscharen, kommt es in dieser Nacht am Bett meines Sohnes zu einem Treffen in der Wüste. Die beiden rauchen Tabak, sprechen über ihre Pferde und den Frieden. Sie gehen friedlich wieder auseinander, und die Stadt Jerusalem wird kampflos an die Christen übergeben. Freilich mit der Bedingung, dass Christen, Moslems und Juden miteinander auszukommen haben. Vielleicht hat es sich in Wirklichkeit etwas komplexer zugetragen, doch die Essenz stimmt. In der Reduktion der Geschichte liegt die Würze. Es beschäftigt den Kopf, das tut gut. Wie ein Buch, das einen als Schlag auf den Kopf ereilt. Voller Ecken, Metaphern, Metaphysik und vielleicht sogar voller Magie sind die spannenden Bücher, die uns bewegen, oder?
    Als ich fertig bin mit der Geschichte, bittet mich mein Sohn, sie ihm bei Gelegenheit zu erklären. Er gesteht mir, dass er kaum etwas verstanden hat. „Warum haben die nicht gekämpft? Und wer hat jetzt eigentlich gewonnen?“, fragt er. Am nächsten Abend hole ich die Erklärung mit wenigen Worten nach: „Es geht vielleicht um etwas anderes, als um das Gewinnen von Schlachten. Manchmal ist das Hinzugewinnen einer geistigen Erfahrung im Angesicht seines Feindes viel mehr wert. Die beiden Heeresführer haben die Nachteile eines zerstörten Jerusalems mit den Vorteilen einer gemeinsamen Zukunft in dieser wunderschönen Stadt verglichen! Die Vorteile haben überwogen.“ Julius schüttelt den Kopf und entlässt mich mit unserem Gebet. Er ist neun Jahre, hat eine gut ausgeprägte soziale Ader und geht gerne zur Schule. Was hat ihn verwirrt? Der Perspektivwechsel. Der hat ihn nicht nur verwirrt, der hat ihn später auch dazu bewegt, andere Spiele und Muster auszuprobieren. Ich erkenne es oft, wenn er sich weiterentwickelt hat, an der Klarheit seines Blickes. Er wertet nicht, er beobachtet und lässt Situationen stehen, wie sie sind. Ich lerne von ihm. Seine Klassenlehrerin orientiert sich an den Prinzipien von progressivem Lernen. Das bedeutet: projektorientiertes Arbeiten und eine christlich geprägte und demokratische Mitverantwortung am schulischen und außerschulischen Gemeinleben. Die Gemeinschaft aller wird gepflegt, und niemand wird ausgegrenzt. Gemeinsames Lernen mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen und Begabungen wird gefördert. Innerhalb christlicher Glaubensgrundsätze lernen Kinder, das Anderssein als normal zu empfinden. Kinder werden auch zum Widerspruch angeregt und zum kreativen Gestalten ihres Unterrichtes. Die Kinder in der Klasse von Julius (drittes Schuljahr) hatten anfangs Scheu, etwas zu wagen. Für sie stand die „Respektsperson Lehrerin“ leider der freundlichen Frau im Weg, die so etwas wie Widerstand und eigenes Denken anregte. Eine seltsame Situation für die Kinder, also auch für unseren Sohn. Mit der Zeit hat er jedoch Mut gefasst, und wir merken zu Hause, dass er sich im Argumentieren verbessert. Er sagt jetzt noch häufiger, was er denkt und was er anders machen würde. Was hat das mit der Kapitulation Jerusalems zu tun? Viel. Soziale Verträglichkeit ist keine Erfindung der Neuzeit. Die friedliche Einigung, zu der komplizierte beiderseitige Zugeständnisse gehören, kann vernünftig sein. Sie ist vor allem von Hoffnung und Gnade geprägt.
    Ein anderes Beispiel: Um 1183 nach Christus kam es schon

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