Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
meisten Familien gang und gäbe ist: Liebesentzug.
Meine Schwester Nadja ist mit dieser Sorge um die öffentliche Meinung nicht gut klargekommen, ich ein bisschen besser. Nadja entwickelte ein nicht zu durchbrechendes System von Trotzreaktionen, die sie immer wieder in kleine Katastrophen führten: falsche Partner, Enttäuschungen und Fehlentscheidungen. Es ist bewundernswert, wie großartig sie ihre Schwierigkeiten heute weitestgehend überwunden hat. Sie konnte ihre gesamte Energie erfolgreich in ihren Beruf stecken. Auf privater Ebene ist sie zu einer bezaubernden Mutter und Oma geworden.
Mein Innerer Schweinehund hat früher gerne mit mir gestritten. Wenn ich ein Bild von meinem Vater anschaute, um mich zu erinnern, dann fing er an: „Apropos Vater: Dein Junge ist jetzt in der Schule, jetzt sind wir eine schulpflichtige Familie. Alles wird anders. Das bedeutet es ja für Väter. Für Mütter natürlich auch. Dann kannst du also und musst auch nicht mehr alles so machen wie früher: um die Welt reisen, Theater-Tourneen, Gastspiele. Kannst du knicken! Ohne deinen Jungen und deine Frau? Wer streichelt dich dann, wer nimmt dich in den Arm? Da fehlt dir doch was! Und wie kriegst du das, Markus? Pillen? Nein. Annoncen? ‚Alleinreisender Schauspieler sucht Anschluss auf Tournee.‘ Das ist albern. Ich hab die Schnauze voll, Markus. Ich bin sauer.“
Sie müssen wissen, ich gehe gerne unter Menschen. Aber ständig habe ich diesen Kerl an den Hacken. Meistens dann, wenn es mir richtig gutgeht: mitten in der Vorstellung oder beim Essen. Sehr speziell, das Ganze. Nirgends kann ich alleine hingehen. Außer zu unser Mutter. Da bleibt er im Auto sitzen, der Vollpfosten, oder fährt mit dem Fahrstuhl rauf und runter. Super. Aber kaum habe ich Hunger, steht er neben mir: „Markus, Alter! Du musst vorausschauend essen! Wer weiß schon, wann das nächste Mal der Tisch gedeckt sein wird?“ Und so wird aus einer Currywurst eine ganze Armada von Fettfingern.
„Grillmann! Gib ihm drei!“
Der Kerl hat seinen Willen, und Schweinchen Dick muss brechen. Ein erwachsener Mann genehmigt sich drei Currywürste „auf Verdacht“.
„Grillmann! Gib ihm vier! Falls heute Nacht der der Atomkrieg ausbricht.“
Wenn wir am Ku’ damm im Schützengraben liegen, braucht Major Markus anständige Reserven. „Das bisschen Sodbrennen!“
Ich habe als junger Mensch in der Familie sehr viel Liebe erfahren, auf der anderen Seite wenig Widerstand erlebt. Infolgedessen staute sich Wut an, wenn es mal nicht so lief, wie ich es wollte. Ich habe keine gesunden Strukturen entwickelt, um meine Wut zu kanalisieren. Meine Wut auf Banken wuchs zum Beispiel wie sonst nur der Kurswert von Gold und Edelsteinen. Sie waren meine Feinde, die meinen Vater und viele andere Menschen regelrecht zu betrügen schienen. All diese Wut konnte nur durch meine Unwissenheit, meinen Mangel an Lebenserfahrung übermächtig werden. Ich zog noch nicht einmal in Betracht, dass die Dinge einfach nicht so laufen würden, wie ich das gerne hätte. Zur Not besserte ich einfach mit Fülle und gezielter Bewusstseinsveränderung durch Selbstversuche mit illegalen Substanzen nach. Ich habe nicht gelernt, mich mit Ungerechtigkeiten und zwischenmenschlichen Ungereimtheiten zu arrangieren. Alles habe ich mir unentwegt persönlich zu Herzen genommen. Das hält keine Sau aus. Es sei denn, die Sau treibt so viel Sport, dass alles andere unwichtig wird. Ich wünschte, ich wäre früher so schlau gewesen, maßvoll Sport in mein Leben zu integrieren. Ich kann nur jedem jungen Menschen raten, es zu versuchen.
Manchmal mit wackeligen Beinen, aber wachsam stehe ich heute in den Reihen derer, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen. Wenn ich nach vorne geschoben werde, ist das für mich okay. Dann bekommt meine Bekanntheit durch Film und Fernsehen einen Sinn. Ich übernehme Verantwortung für die Gemeinschaft, immer mit der Einsicht in die gesellschaftliche Relevanz. Wenn ich das jetzt schreibe, muss ich über mich schmunzeln, denn ich bin auch hier maßlos. Solange ich aber bei klarem Verstand und nicht zugedröhnt bin, ist das okay für mich, was ich denke und schreibe. Die Notwendigkeit treibt mich an, den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln vorzuleben. Ich weiß, dass es funktioniert. Wir müssen uns nicht wie Bestien verhalten. Menschen sind die gefährlichste Spezies auf dem Planeten. Gezielt und gnadenlos rücken wir der Natur und
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